Börsen-Zeitung: Ein bunter IPO-Herbst, Kommentar von Walther Becker zu den noch bis Jahresende zu erwartenden Börsengängen
Frankfurt (ots)
Gut erholt und voller Tatendrang sind Investmentbanker aus dem Urlaub zurückgekehrt. Zwei Hand voll größere Börsengänge sollte der deutsche Markt dieses Jahr noch hergeben. Der Kursrutsch vom Mai ist überwunden. Der Dax notiert zwar 4,5% unter dem Jahreshoch vom 9. Mai, aber 10,8% über dem Tief vom 13. Juni. Nach außen wirkt das IPO-Klima den Temperaturen angepasst: arg kühl. Doch hinter den Türen werden fleißig neue Equity Stories geschrieben statt Börsengänge abgesagt wie noch vor wenigen Wochen.
Und die Performance der größeren Werte dieses Jahrgangs gibt zu Optimismus Anlass. Die Kurse der Neulinge mit einer Börsenkapitalisierung über 100 Mill. Euro - sieben seit Jahresbeginn - liegen über ihren Verkaufspreisen. Selbst Air Berlin ist auf gutem Weg, den Emissionspreis zu schaffen. Mit plus 14% rangiert Patrizia Immobilien vorn. Immobilienwerte sind es vor allem, die demnächst am Kapitalmarkt mobil machen. Allein die Gagfah will Investoren um 1,5 Mrd. Euro für 25% des Kapitals anzapfen. Hinzu kommen Corpus und DGAG. Ein weiteres Thema ist die Bioenergie. So strebt Südzucker ein Bioethanol-IPO an, weitere Kandidaten stehen bereit.
Für Institutionelle, zumal aus London und den USA, beginnt der IPO-Spaß bei einem Streubesitz von deutlich mehr als 100 Mill. Euro - für sie ist heute selbst ein Free Float von 500 Mill. Euro ein Small Cap. Mit vergleichsweise illiquiden kleineren Werten haben sie sich am Ende des zweiten Quartals die Finger verbrannt. Da passt es, dass bei Immobilien und anderen Branchen, in die Private-Equity-Fonds den Ausstieg suchen, größervolumige Kandidaten börsenreif sind - ob Gerresheimer Glas, Ista oder Symrise.
Dass sich Standardwerte dieses Jahr europaweit stärker lohnten als Neulinge, schreckt Banker nicht ab. Die Kurse von Newcomern wie Debenhams oder Rosneft legten seit der Erstnotiz im Schnitt 2,4% zu, während der Dow-Jones-Stoxx600 knapp 7% kletterte, errechnete Bloomberg. Dass der deutsche Aktienmarkt im langjährigen Schnitt saisonal im September am weitaus schlechtesten abschneidet, hält sie ebenfalls nicht ab. Investoren werden höhere Abschläge fordern, vorsichtig agieren und noch mehr auf Qualität achten. Also kein heißer Herbst - aber ein gesundes Wachstum und ein IPO-Volumen, das 2006 auf einen Rekord zuläuft.
(Börsen-Zeitung, 30.8.2006)
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