Börsen-Zeitung: VW verfehlt das Ziel, Kommentar von Gottfried Mehner zum Ergebnis der Verhandlungen mit der IG Metall über die Wochenarbeitszeitverlängerung
Frankfurt (ots)
Wenn es für Schönreden einen Preis gäbe, gehörte VW ganz gewiss zu den aussichtsreichsten Nominierten: Was der Konzern als "Rückkehr zu normalen Arbeitszeiten" etikettiert, ist allenfalls eine Zwischenetappe. Der vereinbarte Wochenarbeitszeitkorridor von "25 bis 33 Stunden" kann genauso gut auch als Einstieg in die Dreitagewoche bewertet werden: Und 25 Stunden Wochenarbeitszeit bei gleichem Entgelt bedeutet eine Steigerung von 13,2%.
Aber etwas Flexibilität nach oben war offensichtlich nicht ohne Flexibilität nach unten zu bekommen. Richtig, ohne Lohnausgleich können künftig eben auch bis zu 33 Stunden gearbeitet werden. Die Wettbewerber arbeiten samt und sonders zwar 35 Stunden. Aber immerhin.
Das rechnerische Kostendelta von rund 6% ist natürlich um Klassen besser als der zuvor bei 20% liegende Kostennachteil zum Flächentarif in der Metallindustrie. Ob sich der Kostenabstand aber überhaupt so weit verkürzt, ist wegen der Bewertung der zahlreichen Nebenabsprachen schwierig zu durchschauen. Wohl nicht ohne Absicht.
Durch das Verhandlungsergebnis verändert sich die Kostensituation in den sechs westdeutschen Werken zunächst um keinen Deut. Es fehlt der schwierigere Teil zwei. Gerechnet auf die künftig mögliche 33-Stunden-Woche haben sich die Arbeitskapazitäten um rund 15% erhöht. Zwangsläufig hat sich damit das Problem der Unterauslastung der westdeutschen Produktion gravierend verschärft. Der personelle Überhang erhöht sich parallel zu längeren Arbeitszeiten.
Die Mechanik ist unerbittlich: Statt 20000 Mitarbeitern bei einer Wochenarbeitszeit von 28,8 Stunden hat VW bei 33 Stunden jetzt über 23000 Mitarbeiter in Westdeutschland zu viel an Bord. Jetzt kommt's: Ohne dass dieses Volumen auch abgebaut wird, werden Effizienzvorteile nicht wirksam.
Vor dieser Konsequenz duckt sich Volkswagen natürlich weg. Und - weil VW nur ein teilprivatisiertes Unternehmen ist, darf man davon ausgehen, dass das Management in seinem Weiterlavieren durch die Landesregierung noch unterstützt wird. Denn die will ja 2008 wiedergewählt werden.
In diesem Umfeld sind entsprechend nur kleinere Restrukturierungen zu erwarten. Ein bisschen zupfen hier, etwas schneiden da - und irgendwann endet diese Geschichte wie bei General Motors.
(Börsen-Zeitung, 30.9.2006)
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