Börsen-Zeitung: Regionalbörse Frankfurt, Kommentar zu den aufgegebenen Euronext-Plänen der Deutschen Börse von Dieter Kuckelkorn
Frankfurt (ots)
Der Traum von der paneuropäischen Börsenfusion ist endgültig ausgeträumt. Die Deutsche Börse hat sich dem Vernehmen nach entschieden, ihr Angebot für die Mehrländerbörse Euronext zurückzuziehen. Damit gesteht sie ein, was alle Welt längst weiß: Außerhalb Deutschlands hat sich nie jemand wirklich für die Avancen aus Frankfurt erwärmt. Zwar hat es mancherorts eine Präferenz für eine rein europäische Lösung gegeben. Eine Dominanz der Deutschen Börse, die sich zwangsläufig aus dem hohen Unternehmenswert des ertragsstarken Börsenbetreibers ergibt, ist jedoch nirgendwo erwünscht.
Man mag nun beklagen, dass die New York Stock Exchange mit Hilfe ihres Übernahmeziels Euronext die europäische Börsenszene aufrollt, verhindern lässt es sich nicht mehr. Die Deutsche Börse ist gut beraten, eine neue Strategie zu präsentieren, die sie in dem globalen Konzentrationsprozess der Branche neu ins Spiel bringt oder zumindest neue Fantasie im Aktienkurs weckt. Momentan ist sie - zumindest bei den Kassamärkten - auf den Rang einer Regionalbörse herabgesunken. Ihr Heimatmarkt Deutschland ist wenig mehr als eine von vielen Regionen Europas und der Welt.
Neue Fusionspartner vor allem aus den Wachstumsregionen sind derzeit nicht in Sicht. In Asien neigt die Tokyo Stock Exchange den Amerikanern zu. China wird derzeit von US-Börsen massiv umworben, so dass auch hier der Zug fast schon abgefahren zu sein scheint. In Osteuropa hat die Wiener Börse mit Kooperationen vorgelegt. Und auch bei den übrigen europäischen Marktbetreibern - von der skandinavischen OMX bis zur spanischen und schweizerischen Börse - ist keinerlei Bereitschaft zu erkennen, sich mit Frankfurt zusammenzutun.
Börsenchef Reto Francioni bleibt damit wohl nur die Möglichkeit, auf Wachstum aus eigener Kraft zu setzen. Ansatzpunkte dafür sind die überaus erfolgreiche Terminbörse Eurex, aber auch die neue Derivatebörse "Alex". Ob dies aber reicht, um dem bereits auf einem Rekordniveau befindlichen Aktienkurs zu weiterer Dynamik zu verhelfen, ist fraglich. Sollte Francioni das nicht gelingen, könnte sich die Führungsfrage bei der Deutschen Börse in absehbarer Zeit neu stellen. Chefsessel bei Dax-Werten gleichen heute eher Schleudersitzen, und bei der Deutschen Börse sind die Aktionäre nicht gerade für Geduld und Gleichmut bekannt.
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