Börsen-Zeitung: LSE als offene Partie, Kommentar von Norbert Hellmann zum erneuten Versuch der Nasdaq, die London Stock Exchange zu übernehmen
Frankfurt (ots)
Es ist nicht gerade die feine englische Art, mit der sich die Nasdaq im nunmehr zweiten Anlauf der London Stock Exchange (LSE) zu bemächtigen versucht. Kein Wunder, dass sie erneut auf Ablehnung stößt. Die am Montag überraschend eingebrachte Offerte zu 1243 Pence oder 2,7 Mrd. Pfund muss als Überrumpelungsversuch gewertet werden, mit dem sich die Nasdaq jegliche Chance verbaut, eine freundliche Zustimmung des Board der LSE zu erhalten.
Seit der ersten Offerte vom 10. März zu damals 950 Pence blieb Zeit genug, ein Miteinander auszutarieren und ein überzeugendes Konzept für eine transatlantische Börse der Zukunft vorzulegen. Die schlechten Beziehungen zwischen der LSE-Spitze und ihrem Großaktionär mit bislang 25% und jetzt 28,75% lassen dies aber nicht zu.
Was die Nasdaq an Konzept anzubieten hat, wird die Londoner nicht konzilianter stimmen. Sie kann oder will noch keine Synergien vorrechnen, was vielleicht verständlich ist, weil sie eher dürftig ausfallen würden. Zu den Handelsgebühren heißt es lediglich, dass man sie in den kommenden drei Jahren nicht anheben werde, was eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Schließlich wirft die Nasdaq der LSE implizit vor, Skalierungs- und Effizienzvorteile im rasch wachsenden Orderbuchhandel nicht an die Nutzer weiterzugeben.
Rechtlich und regulatorisch soll in London alles beim Alten bleiben. Auch der Juniormarkt AIM, der der Nasdaq zunehmend IPO-Kandidaten abluchst, bliebe erhalten. Was aber passiert mit der Handelstechnologie, die von der LSE gerade erfolgreich auf Vordermann gebracht wird? Nasdaq spricht von einer gemeinsamen Plattform, auf der Blue Chips mit dualem Listing in New York und London künftig transparenter gehandelt werden können, was, wenn überhaupt, eher New Yorker Bedürfnissen entspricht.
Das Nasdaq-Konzept bringt Londoner Marktteilnehmern zu wenig, als dass sich die LSE wegen ihrer Nutzer darauf einlassen müsste. Es dient strategische Prioritäten der Nasdaq im Kampf gegen den Rivalen Nyse und dessen geplanter Verbindung mit Euronext. Für diesen Luxus aber muss die Nasdaq zahlen, und zwar so viel, dass die LSE unter den Druck ihrer Aktionäre geriete, die einmalige Gelegenheit nicht zu verpassen. Zum gegenwärtigen Niveau ist das kaum der Fall. Damit ist die Partie auch nach dem zweitem Gebot genauso offen wie zuvor.
(Börsen-Zeitung, 21.11.2006)
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