Börsen-Zeitung: EZB hält ihr Pulver trocken, Kommentar zum Straffungskurs der EZB von Jürgen Schaaf
Frankfurt (ots)
Jean-Claude Trichet, der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), hat der Versuchung widerstanden. Selbst auf hartnäckiges Nachfragen der anwesenden Journalisten bei der gestrigen Pressekonferenz wollte er sich partout nicht zum Einbruch des Dollar gegenüber dem Euro in den vergangenen Wochen äußern. Nachdem er die Zinserhöhung um 25 Basispunkte auf jetzt 3,5% bekannt gegeben hatte, beließ es Trichet bei dem Verweis auf frühere grundsätzliche Statements, wonach extreme Schwankungen der Wechselkurse negative Auswirkungen auf das Wachstum haben können.
Und er tut gut daran. Zwar hat der Euro gegenüber dem Greenback seit Jahresbeginn um gut 12% aufgewertet, in den zurückliegenden Monaten sogar mit hohem Tempo. Bislang aber geben weder das Wechselkursniveau noch die Geschwindigkeit der Abwertung der Notenbank Anlass zu großer Sorge oder Aktivismus. Die europäischen Währungshüter sind immer noch im Prozess der geldpolitischen Straffung. Denn: Ein stärkerer Euro wirkt in die gleiche Richtung wie die Zinserhöhungen der EZB: Er dämpft die Inflation über niedrigere Einfuhrpreise und drosselt die Konjunktur über verteuerte Exporte. Mit anderen Worten: Der starke Euro müsste der EZB sogar gelegen kommen.
Dies gilt natürlich nur, solange der Prozess der geldpolitischen Normalisierung - sprich der Zinserhöhungen - noch nicht abgeschlossen ist und der Dollar nicht ins Bodenlose fällt. Die EZB hat aber gestern deutlich gemacht, dass sie ihren Straffungsprozess noch nicht beendet hat. Und an der Wechselkursfront ist es wieder etwas ruhiger geworden.
Gleichwohl besteht das Risiko einer fortgesetzten - eventuell beschleunigten - Talfahrt des Dollar. Auch wenn es nicht das wahrscheinlichste Szenario ist, wird die EZB dann einschreiten. Bei einem Kurs von 1,40 Dollar pro Euro dürfte auch sie nicht mehr gelassen bleiben. Aber damit sie in einer solchen Situation wirksam - zunächst verbal - intervenieren kann, muss sie bis dahin ihr Pulver trocken halten und darf nicht zu früh agieren. Es dürfte Trichet eine Lehre gewesen sein, dass er im Jahr 2004 die damaligen Wechselkursbewegungen als "brutal" bezeichnet hatte und damit keineswegs zur Beruhigung an den Devisenmärkten beitrug. Gelassenheit und Wachsamkeit sind das Gebot der Stunde.
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