Börsen-Zeitung: Winterkorn legt los, Kommentar zur Strategie des VW-Chefs von Gottfried Mehner
Frankfurt (ots)
So muss es sein: Bevor sich ein neuer Unternehmenslenker hinters Steuer klemmt, sollte er tunlichst den Laden mit der Quarzlampe in der Hand genauestens ableuchten. Besonders von unten. Beim neuen VW-Chef Martin Winterkorn ging diese Eröffnungsbilanz in Rekordzeit über die Bühne. Er kennt die Verhältnisse.
Als Erstes hat Winterkorn die vernebelnde Verrechnung der Ergebnisse innerhalb der beiden Markengruppen VW und Audi beseitigt. Jede Marke wird künftig mit ihren Ergebnissen voll sichtbar werden. Was da beim Hochbocken der Zahlen der Marke VW-Pkw zum Vorschein kommen wird, löst bestimmt keine Freudentränen aus. Von dem abgehenden Wolfgang Bernhard stammt ja die Durchsage, dass erst im Jahr 2010 die Traditionsmarke wieder vorzeigbare Renditen präsentieren kann.
2006 schaffte die Marke VW-Pkw zwar einen Sprung im Vorsteuerergebnis auf 1,6 (0,4) Mrd. Euro, aber dies lag primär an den gebremsten Investitionsausgaben. Die Vorsteuerrendite schafft es bislang nur auf ein mittelprächtiges Sparbuchniveau von etwa 3,6%. Als Bernhard vor zwei Jahren antrat, schoss der Kurs um 8% nach oben. Gestern gab es noch einmal ein leichtes Plus und den freundlichen Hinweis, dass man ihm für seine produktivitätssteigernde Mitarbeit danke. Gegenüber Winterkorn hat er den Kürzeren gezogen. Im Wolfsburger Biotop konnte diese Entscheidung nicht anders ausfallen. Was dort in den ersten zwei Jahren als Vorstand nicht abgeliefert wird, kommt später selten nach. Die Aufladung durch sein jugendliches Image wird VW fehlen. Aber es war natürlich auch ein Zeichen der Ära Pischetsrieder, dass man nicht wusste, wer eigentlich steuerte. Winterkorn ist aber der Einzige, der die Zentrifugalkräfte zwischen Audi und der Konzernmutter verringern kann.
Mit einer schonungslosen Bestandsaufnahme gleich zu Beginn kann Winterkorn Legendenbildungen aller Art vorbauen. VW ist latent immer gefährdet, es sich rückgewandt kuschelig zu machen. Gut geführte Konzern sind derweilen schon zwei Anpassungsrunden weiter. Mit dem neuen Tempo werden einige der Leitenden noch ihre liebe Not haben. Zuletzt plädierte der Verband der VW-Führungskräfte für Veränderungen der besonnenen und ruhigen Art. Besonnen ja, ruhig und phlegmatisch bitte nicht mehr.
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