Börsen-Zeitung: Das Kreisen der Raubvögel, Kommentar von Bernd Wittkowski zu den Übernahmespekulationen um die niederländische Großbank ABN Amro
Frankfurt (ots)
Na also, es geht doch: ABN Amro vermag Investoren und Analysten noch zu begeistern. Nicht allein durch Übernahmefantasie, sondern zumindest auch mit einem Gewinnsprung. Doch es könnte sein, dass dieser Erfolg, dessen Beitrag zur Steigerung des Aktienkurses und das Bekenntnis zu "vollständiger Transparenz" zu spät kommen, um das Unheil noch abzuwenden.
Warum Unheil? Über der niederländischen Großbank kreisen die Raubvögel. Nicht die Unterart der Geier, denn die ernährt sich von Aas. Hier aber wird eine höchst lebendige Beute gejagt. Dass eine Bank von einer anderen übernommen wird, hat man alle Tage - danach kräht, um in der Ornithologie zu bleiben, kaum noch ein Hahn. Was sich aber bei ABN Amro anbahnt, ist in dieser Form und Dimension von einer neuen Qualität. Fortis, Royal Bank of Scotland und Santander treten gemeinsam in der offenkundigen Absicht an, die noch in exklusiven Übernahmeverhandlungen mit Barclays stehende ABN Amro in ihre Einzelteile zu zerlegen und unter sich aufzuteilen. Das wird so nicht gesagt, aber der Vorstoß dürfte ja kaum darauf zielen, dass jedes Mitglied des Trios ein Drittel der Aktien übernimmt. Nur mal als Beispiel: Drei Konkurrenten reißen sich die Commerzbank unter den Nagel. Einer kriegt das Privatkundengeschäft, der Zweite den Bereich Mittelstandsbank, der Dritte die Hypotheken- und Pfandbrieftöchter. Der Rest ist unbrauchbar und wird plattgemacht. Muss man das gut finden?
Die Aktionäre der zu tranchierenden Einheit mögen es gut finden, wenn der Preis stimmt. Aber auf die Gefahr hin, als unverbesserlicher Nostalgiker zu gelten: Haben Unternehmen nicht noch einen anderen Wert als den Zerschlagungswert? Wir reden im aktuellen Fall nicht von einem maroden Konzern, aus dessen Trümmern durch Aufteilung noch das Beste zu machen wäre. Es geht um einen intakten Organismus, der zugegebenermaßen hier und da durch unbefriedigende Renditen und zweifelhafte Strategien auffiel. Doch sollte dies - zumal in einer Branche, die in marktwirtschaftlichen Systemen vonzentraler Bedeutung für Stabilität und Vertrauen ist - kein hinreichender Grund sein, einen solchen Organismus den Greifvögeln zum Fraß vorzuwerfen. Umso weniger, wenn die Idee von einer Seite kommt, die einzig und allein kurzfristige Gewinnmaximierungsinteressen verfolgt. Dafür sind Banken als Objekt ungeeignet.
(Börsen-Zeitung, 17.4.2007)
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