Börsen-Zeitung: Prügelknabe, Kommentar von Silke Stoltenberg zur exzessiven Dollarschwäche
Frankfurt (ots)
Der Dollar steckt derzeit von allen Seiten Prügel ein. Wenn es so weitergeht, könnte er an den Devisenmärkten dem Yen als größtem Schwächling den Rang streitig machen. Der Euro arbeitet hart daran, den bisherigen Rekordwert von 1,3667 Dollar zu überbieten. Das Pfund hat den höchsten Stand seit 26 Jahren erreicht. Der Neuseeland-Dollar sprintete auf ein 22-Jahres-Hoch, der australische Dollar ist nahe dem teuersten Niveau seit 17 Jahren. Diese Liste beeindruckender Marken ließe sich beliebig fortsetzen.
Hintergrund der exzessiven Dollarschwäche ist die um sich greifende Erwartung, dass die US-Notenbank Fed in diesem Jahr die Zinsen senken wird. Zugleich wetten die Anleger auf steigende Niveaus in anderen Ländern. Dadurch hat sich in den vergangenen Wochen an den Märkten eine ausgeprägte Anti-Greenback-Stimmung entwickelt. Jeder Anlass ist willkommen, um sich gegen die US-Valuta zu positionieren: kleinste Abweichungen von Konsensprognosen oder sogar der Handelsstreit mit China. Damit wird der Dollarfall zum Perpetuum Mobile.
Noch vor rund einem halben Jahr konnten - bei eigentlich ähnlichen Prognosen für die Zins- und Konjunkturentwicklungen in der Welt - selbst die schlechtesten Datenveröffentlichungen dem Greenback nichts anhaben. Damals konnten die Investoren der Gemeinschaftswährung einfach prinzipiell nichts abgewinnen, der Euro fiel bis auf 1,25 Dollar.
Die jetzige Erwartung einer laxeren Geldpolitik der Fed basiert darauf, dass mit einer Abkühlung der US-Konjunktur gerechnet wird. Der kriselnde Häusermarkt steht dabei im Mittelpunkt solcher Überlegungen, wie die Korrektur an den Aktienmärkten im März eindrucksvoll bewies.
Dabei wird aber außen vor gelassen, dass die Kerninflation in der weltgrößten Volkswirtschaft mit einer Jahresrate von jüngst 2,5% weiter deutlich über dem anvisierten Bereich von 1 bis 2% liegt. Daher hoben die Währungshüter bei ihrer letzten Sitzung auch die Inflationssorgen hervor. Zwar wurde nicht mehr von einer möglichen weiteren Straffung gesprochen, aber im Kommentar der Zinsentscheidung ließ man sich mit dem Wort "Anpassungen" alle Optionen offen - eben auch die weiterer Zinserhöhungen. Was schert es die Anleger - der Rekord des Euro hat derzeit eine fast magische Anziehungskraft.
(Börsen-Zeitung, 19.4.2007)
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