Weser-Kurier: Der "Weser-Kurier" (Bremen) kommentiert in seiner Ausgabe vom 13. Februar 2012 das Löschen von Handy-Daten bei den Ermittlungen gegen den Nationalsozialistischen Untergrund:
Bremen (ots)
Vorsicht ist kein Skandal
von Joerg Helge Wagner
Ermittler, Geheimdienstleute, Staatsschützer und BKA-Beamte sind offensichtlich nicht immer so verschwiegen und diskret, wie es ihr heikler Job eigentlich erfordert. Gestern erfreute uns die "Bild am Sonntag" mit Auszügen aus dem internen E-Mail-Verkehr zwischen Bundespolizei und Bundeskriminalamt. Morgen ist der "Focus" mit einem Artikel auf dem Markt, der sich angeblich ebenfalls auf einen internen BKA-Vermerk stützt. Nun wäre es hochgradig scheinheilig, ausgerechnet als Angehöriger der Medienbranche solche Indiskretionen zu bejammern. Nein, wir leben geradezu davon, dass am Ende doch immer irgendwer quatscht. Im Idealfall hilft uns dieses Mitteilungsbedürfnis ja auch, Missstände aufzudecken und für Transparenz zu sorgen. Wer diesen Zusammenhang durchschaut und akzeptiert, muss dann aber auch die Verhaltensweisen der Ermittler richtig und sachlich einschätzen. Wenn hochsensible Daten nach dem Kopieren in einer Behörde gelöscht werden, um sie bei einer anderen zu konzentrieren, ist das zunächst einmal kein Skandal, sondern Vorsorge: Sie sollen eben während der laufenden Ermittlungen nicht an die Öffentlichkeit gelangen, wo sie schlimmstenfalls noch unerkannte Mittäter warnen und vor Verfolgung schützen könnten. Soweit ist die gestrige Erklärung von BKA-Präsident Ziercke nachvollziehbar. Und wenn der besagte Vorgang auf dem Boulevard breitgetreten wird, dürfte ihn das in seiner Vorsicht nur bestätigen. Transparenz und vollständige Auskunft sind an ganz anderer Stelle einzufordern: im Untersuchungsausschuss des Bundestages, der die skandalösen früheren Versäumnisse bei der Verfolgung des Neonazi-Untergrundes aufklären soll. Denn so offensichtlich die Pannen sind, so dubios sind ihre Ursachen. Wie konnten die Extremisten vom Bildschirm der Fahnder verschwinden? Wer kam auf die perfide Idee, die zehn Morde irgendwelchen mafiösen Strukturen zuzuschreiben? Hier müssen die Akten auf den Tisch - und zwar alle.
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