Weser-Kurier: Kommentar zur Zukunft des Fiskalpakts
Bremen (ots)
Wolfgang Schäuble wusste schon vor den Wahlen in Frankreich und Griechenland, woher der Wind weht. Als er in der vergangenen Woche verkündete, Deutschland könne sich deutlich höhere Löhne leisten, wollte er sich damit keineswegs bei der IG Metall anbiedern, die gerade mit den Arbeitgebern über 6,5 Prozent mehr Lohn verhandelt. Schäubles Worte waren vor allem an seine Kollegen in der EU gerichtet. Die kritisieren schon lange, dass Deutschland seine gestiegene Wettbewerbsfähigkeit mit sinkenden Reallöhnen erkauft hat. Was die EU aber braucht, ist mehr Nachfrage vom starken Nachbarn Deutschland. Das ist keineswegs ein einseitiges Interesse: Die Auftragseingänge in der deutschen Industrie, vor allem im Maschinenbau, sind rückläufig, teilte der Branchenverband gestern mit. Ursache sei das wegbrechende Exportgeschäft mit den Ländern Südeuropas. Wenn die Wirtschaft in unseren Nachbarländern schrumpft, können sie bei uns nichts kaufen. Wenn in Deutschland dank Lohnerhöhung die Kaufkraft steigt, steigt auch die Nachfrage nach Waren aus den anderen EU-Staaten. Aber die Wirtschaft zum Beispiel in Griechenland liegt so danieder, dass es nicht reicht, wenn wir mehr Wein und Oliven kaufen. Es reicht auch nicht, wenn der Staat dort auf Druck der EU die Hälfte aller Stellen streicht. Wenn eine ganze Generation keine Perspektive mehr hat, flüchtet sie sich in die Arme radikaler Parteien. Deshalb wird der Fiskalpakt nur halten, wenn er durch einen Wachstumspakt ergänzt wird. Die Mittel aus diesem Pakt dürfen aber nicht genutzt werden, um kurzfristig Klientelpolitik zu machen. Sie müssen gezielt in Zukunftsprojekte wie Forschung und Bildung, erneuerbare Energien und Förderung kleiner und mittelständischer Unternehmen gelenkt werden. Das entlässt die verschuldeten Staaten nicht aus der Verantwortung, Strukturreformen durchzuführen. Sie müssen Korruption und Bürokratie eindämmen, Privilegien abbauen und ihren Arbeitsmarkt flexibilisieren, sonst kann sich keine wirtschaftliche Dynamik entwickeln. Sparen und Wachstumsförderung sind derzeit keine Alternativen. Wir brauchen beides.
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