Weser-Kurier: Kommentar zur "Vatileaks"-Affäre
Bremen (ots)
Schon während seines Deutschlandbesuchs im vergangenen Jahr richtete Papst Benedikt XVI., Oberhaupt von mehr als einer Milliarde Katholiken, deutliche Worte an die Gläubigen: "Der Schaden der Kirche kommt nicht von ihren Gegnern, sondern von den lauen Christen." Wie schon im Missbrauchsskandal sind diejenigen, die dem Ruf der Kirche am meisten schaden, wieder in den eigenen Reihen zu suchen. Diebstahl, Lügen, Intrigen - beinahe jedes Mittel scheint den Verschwörern im Vatikan recht, um ihre unchristlichen Machtinteressen durchzusetzen. Erbittert wird in der Kurie um Einfluss gerungen, sogar hochrangige Kardinäle sollen in die nebulöse Enthüllungsaffäre "Vatileaks" verwickelt sein. Und der Papst, so sieht es zumindest aus, hat die Verwaltung seines Reichs nicht im Griff, obwohl er es als unumschränkter Herrscher regiert, kein Parlament fragen muss und selbst Gesetze neu schreiben kann. Den Vatikanstaat führen, eine intrigante Kardinalsriege zähmen, mit Politikern Bündnisse schließen, um der Kirche Vorteile zu verschaffen oder zu bewahren - das alles ist nicht sein Ding. Vielmehr hat Benedikt XVI. wiederholt geäußert, dass er wenig von Privilegien, wie etwa der Kirchensteuer, hält. Er verlangt stattdessen eine "Entweltlichung" und liebäugelt mit dem Rückzug in eine kleine kämpferisch-eifernde Kern-Kirche. Doch der Pontifex muss aufpassen, dass er bei seinem selbstlosen Vorhaben nicht von den "lauen Christen" im Vatikan gestoppt wird. Denn mit einem Prozess des Gesundschrumpfens sind dort freilich nicht alle einverstanden. Die Gegner des päpstlichen Kurses wittern den Verlust von Macht und Einfluss - und sie kennen offenbar keine Skrupel. So sind die mächtigen Gegenspieler längst dabei, die Weichen für die nächste Papstwahl zu stellen, damit einer von ihnen das Rennen macht. Bis dahin gilt es, das in ihren Augen Schlimmste zu verhindern. Der erste Verlierer bei all diesem Gezänk steht bereits fest: die Kirche selbst, deren Bild als heilsstiftende Institution weiter Schaden nimmt.
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