Weser-Kurier: Der "Weser-Kurier" (Bremen)kommentiert in seiner Ausgabe vom 14. September 2012 die anti-amerikanischen Ausschreitungen in der islamischen Welt:
Bremen (ots)
Feuer und Freiheit
von Joerg Helge Wagner
Man stelle sich vor, im Jahre 1979 wären die britischen Botschaften in Rom, Madrid, Rio de Janeiro von tausenden fanatisierter Christen attackiert worden. In München wäre sogar der Botschafter beim Sturm auf das Generalkonsulat getötet worden. Der Papst und die Oberen der evangelischen Kirche hätten zwar zur Mäßigung aufgerufen, den Aufruhr aber nicht in den Griff bekommen, der sich am Film "Das Leben des Brian" der britischen Komikertruppe Monty Python's entzündet hat. Richtig: Es gab damals Aufführungsverbote und eine hitzige Blasphemie-Debatte. Was es nicht gab, waren Tote. Das Entsetzliche an den jüngsten blutigen Aufwallungen des militanten Islam ist ihre völlige Maßlosigkeit. Kein Anlass scheint geringfügig genug zu sein, dass sich nicht Tausende weltweit bis zum Äußersten darüber erregen können: Karikaturen in einer dänischen Zeitung, ein durchgeknallter US-Provinzpfarrer oder nun das abgrundtief dämliche filmische Machwerk eines mysteriösen Fanatikers. Klare Distanzierungen von offizieller Seite werden überhört: Unter Einsatz des eigenen Lebens stürmt man blindwütig auf alles los, was den vermeintlichen Satan repräsentiert. Der manifestiert sich in den USA als Führungsmacht des gar nicht mehr so christlich-jüdischen Westens. Ebenso fassungslos wie dieses Wüten macht die im Wortsinn schweigende Mehrheit der gemäßigten Muslime. Die Frage, ob sie klammheimlich mit den Fanatikern sympathisieren, ist nicht beleidigend, sondern berechtigt. Hoffnung gibt einem das klare Statement von Aiman Mazyek, der für den Zentralrat der Muslime in Deutschland spricht: Die tödliche Attacke nennt er einen "Anschlag", dessen Urheber "die Freiheit des Landes zerstören will". Das trifft es: Die massenhafte Empörung ist gezielt geschürt und gesteuert; sie richtet sich am Ende gegen jede Form von Freiheit. Die ist in den Ländern des "Arabischen Frühlings", gerade auch in Ägypten, Libyen oder im Jemen, noch äußerst labil. In den USA hingegen ist sie so gefestigt, dass sie auch radikale Ansichten schützt: Das Verbrennen der US-Flagge ist ebenso legal wie das Verbrennen der Bibel oder des Koran. Man kann finden, dass dies zu weit geht. Man muss aber wissen, was man aufgibt, wenn man diese Freiheit in Frage stellt - aus Angst vor Extremisten, die nicht bloß zündeln, sondern morden. joerg-helge.wagner@weser-kurier.de
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