Weser-Kurier: Zum EU-Projekt Indect schreibt der "Weser-Kurier" (Bremen) in seiner Ausgabe vom 28. Februar 2013:
Bremen (ots)
Guten Tag, Sie haben einen großen Koffer, tragen einen Vollbart und halten sich seit anderthalb Stunden auf dem Bahnhof auf. Sie sind festgenommen." Zugegeben: Es mag ziemlich überspitzt sein, sich die Zukunft der Verbrechensbekämpfung so vorzustellen. Doch woran da auf EU-Ebene geforscht wird, erinnert nun wirklich an Orwells Big Brother, der seine Augen überall hat. Ein hochkomplexes System, das Menschen beobachtet, ihr Verhalten analysiert, entsprechende Schlüsse daraus zieht, auf Datenbanken zugreift, Alarm schlägt und den Verdächtigen verfolgen lässt, das klingt doch eher nach Science-Fiction als nach seriöser Ermittlungsarbeit der Sicherheitsbehörden. Ist es aber nicht. Und deshalb sind die Vorbehalte groß und die Fragen zahlreich, wenn es um Indect geht. So gravierend, dass selbst das Bundeskriminalamt eine Projektpartnerschaft ablehnt. Man weiß gar nicht, welchen Punkt man zuerst nennen soll, bei dem es - vorsichtig formuliert - juristische Bedenken gibt: Das massenhafte Scannen von Menschen im öffentlichen Raum? Das Abgleichen gesammelter Informationen mit Datenbanken? Das Verfolgen Verdächtiger mit Drohnen? Oder die schlichte Frage, ob ein Computer wirklich "abnormales Verhalten" erkennen kann? Unterm Strich ist wohl die Befürchtung am gravierendsten, dass die generelle Unschuldsvermutung ausgehebelt wird und am Ende jeder verdächtig ist. Die Arbeit der Polizei und der Justiz unterliegt - aus gutem Grund - einem strengen Reglement. Jemanden zu beobachten, ihn zu verdächtigen, gegen ihn zu ermitteln - all das bedarf konkreter Anhaltspunkte. Die Vorstellung, dass künftig eine Software unter Umständen die Entscheidungen eines Richters übernimmt, erschreckt deshalb nicht nur Datenschützer und Bürgerrechtler. Natürlich müssen die heutigen technischen Möglichkeiten auch bei der Verbrechensbekämpfung genutzt werden. Und dabei wird auch immer wieder die Frage, wer, wo und wie beobachtet werden darf, neu beantwortet werden müssen. Indect allerdings schießt in der bislang konzipierten Form weit übers Ziel hinaus. Den Verantwortlichen in der EU bleibt nur eines: abrüsten.
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