Weser-Kurier: Zum Vorstandswechsel bei Siemens schreibt der "Weser-Kurier" (Bremen) in seiner Ausgabe vom 30. Juli 2013:
Bremen (ots)
Auch wenn Peter Löscher jetzt zurückrudert und seinen erzwungenen Abgang nicht mehr an den gleichzeitigen Rücktritt des Aufsichtsratsvorsitzenden koppelt, falls er das überhaupt je getan hat - dennoch: Gerhard Cromme muss gehen. Jetzt ist eine Kompletterneuerung fällig. Das gilt für alle, auch für die Arbeitnehmervertreter im Siemens-Kontrollgremium, allen voran IG-Metall-Chef Berthold Huber. Alle haben zu lange nur zugesehen, anstatt auf die Finger zu klopfen. Als Löscher 2007 von Cromme installiert wurde, steckte Siemens tief im Schlamassel des Schmiergeldskandals. Jetzt wird der traditionsreiche Mischkonzern von technischen Pannen und Versäumnissen gebeutelt. Die Liste ist lang: Die neuen ICE für die Deutsche Bahn kommen nicht auf die Schiene, es gibt massive Verzögerungen bei der Netzanbindung von Offshore-Windparks in der Nordsee. Dazu auch noch Qualitätsprobleme bei Windkraftanlagen in den USA, wo Rotorblätter abbrechen. Stichwort Solar: Vor vier Jahren wollte Löscher Siemens zum Weltmarktführer bei thermischen Sonnenkraftwerken machen - nun wird die Sparte mit Millionenverlust geschlossen. Außerdem liegen Umsatz und Gewinn erheblich hinter den selbst gesteckten Zielen zurück. Nur den bisherigen Finanzvorstand zum neuen Vorsitzenden zu ernennen, wird kein einziges Problem lösen. Löscher ist nicht allein für die Misere verantwortlich. Aufsichtsratschef Cromme war einmal einer der mächtigsten Manager in Deutschland. Das ist vorbei. Sein glückloses Handeln bei Siemens zeigt Parallelen zum Fall Thyssen-Krupp, wo er sein Mandat als Aufsichtsratsvorsitzender im Frühjahr niederlegen musste: Milliardenverluste, Kartellverfahren und Personalquerelen. Josef Kaeser kommt aus dem Haus. Er ist gut vernetzt, sagt man. Das ist sein Vorteil. Und er kennt die Zahlen. Aber reicht das? Hat er Konzepte und Visionen? Ist der Gemischwarenladen der Elektrobranche zukunftsfähig aufgestellt? Es wird Jahre dauern, bis der schwerfällige Industriegigant wieder auf Touren kommt. Dazu braucht es einen Neustart - einen kompletten.
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