Weser-Kurier: Über die Vermarktung von Tierbabys schreibt der "Weser-Kurier" (Bremen) in seiner Ausgabe vom 4. Januar 2014:
Bremen (ots)
Ach, wie niedlich. Das gilt für Nachwuchs jeder Art und hat sozusagen Methode, genannt Kindchenschema. Kleine Elefanten sind süß, kleine Eisbären possierlich. Aber ganz entzückend sind Tierkinder, wenn sie aus einem Film von Walt Disney entsprungen zu sein scheinen. Eisbär Knut hatte einen Zwillingsbruder, der nach wenigen Tagen starb. Sein Vater war nur ausgeliehen, von einem anderen Zoo. Die Mutter wollte von Knut nichts wissen. Er musste von Menschenhand aufgezogen werden - ach, ein Drama sondergleichen. Aber auch eine Goldgrube, zum Glück. Knuts Schicksal ließ kein Auge trocken. Aus Sicht des Tierschutzes ist es für ein Bärenjunges alles andere als ideal, Eisbären sollen in der Arktis aufwachsen, ohne Gitter, Zuschauer und Tierärzte, aber mit natürlichen Feinden. Für den Berliner Zoo war das Waisentierkind ein Glücksfall, "Cute Knut", der niedliche Knut, brachte ihm internationale Aufmerksamkeit und Millionen ein. Man muss ihm das gönnen - Zoos gelten als chronisch unterfinanziert und sind meist von öffentlichen Zuschüssen abhängig. Der Bau neuer und komfortablerer Gehege kostet Millionen und ist ohne Spenden so gut wie unmöglich. Man darf Zweifel haben, ob Zoos noch zeitgemäß sind und nötig, um dem staunenden Besucher die Größe von Giraffen zu demonstrieren. Aber Zoos sind auch ein Teil der Kulturgeschichte, sie dienen nicht nur der Bildung, sondern auch der Forschung, dem Naturschutz und der Erholung. Und eines ist klar: Bei einem Zoo darf es keine halben Sachen geben. Da geht nur ganz oder gar nicht. Er muss angemessen finanziert sein, damit sich die Tiere so wohl fühlen können wie nur möglich und damit er attraktiv ist. Tiere kann man einfach gefangen halten, Besucher muss man erst einmal einfangen. Leicht ist das alles nicht - im Gegenteil. Was spricht also dagegen, die Geburt des Eisbärenjungen in Bremerhaven auszuschlachten, mit Gummieisbärchen, Aufklebern und anderem Firlefanz? Nichts. Im Gegenteil, der Zoo am Meer muss bestrebt sein, sehr viel Geld einzunehmen, damit etwas hängen bleibt: In Berlin forderte der Rechnungshof angesichts der Knut-Zusatzeinkünfte öffentliche Zuschüsse zurück. Solche unverhofften Einnahmen können Bremerhaven und das Land Bremen bekanntlich auch ganz gut gebrauchen.
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