Weser-Kurier: Über Polizeigewalt in den USA schreibt Frank Herrmann:
Bremen (ots)
Es bleibt unklar, wie Michael Brown ums Leben kam. Ob ein Polizist im Streifenwagen den Teenager schikanierte, nur weil er mit einem Freund auf der Straße lief statt auf dem Bürgersteig, oder ob der Beamte schoss, nachdem ihn der 18-Jährige angegriffen hatte - die Ermittler des FBI werden irgendwann Antworten auf offene Fragen geben. Brown war kein Unschuldslamm, er stahl am selben Tag Zigarillos aus einem Laden und bedrohte den Verkäufer, als der einschreiten wollte. Die Skizze des sanften Riesen, die anfangs in Umlauf war, sie ist eher ein Zerrbild. Nur: Erstens wusste der patrouillierende Beamte gar nichts von dem Ladendiebstahl, als er Brown stoppte. Es gibt keinen Zusammenhang mit den Todesschüssen. Was die Frage aufwirft, wieso die in die Kritik geratene Polizeitruppe es überhaupt veröffentlichte, das Video einer Überwachungskamera aus besagtem Laden. Zweitens war der Tod des Jungen nur der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Im Vorortgürtel um St. Louis entladen sich Spannungen, die sich über Jahre angestaut hatten. Die Hauptschuld trägt eine vornehmlich weiße Polizeitruppe, deren Anblick im mehrheitlich schwarzen Ferguson an die Südstaaten in Zeiten der Rassentrennung denken ließ: an Birmingham, Alabama, um 1963. Wie bis an die Zähne bewaffnete Einsatzkommandos dann auf die Proteste reagierten, das hat den Eindruck nur noch verstärkt. Panzerwagen, Tränengas, Gummigeschosse: Bilder, mit denen man eher die US-Armee im Irak des Jahres 2004 assoziiert als den Mittleren Westen des Jahres 2014. Kein Wunder, dass mancher Ferguson schon mit Falludscha gleichsetzt. Kein Wunder, dass besorgte Senatoren von einer Militarisierung der Polizei sprechen. Dies liegt auch an einem irrsinnig anmutenden Programm des Pentagon. Um überzähliges Kriegsgerät aus den Feldzügen in Afghanistan und Irak nicht verschrotten zu müssen, hat das Verteidigungsressort Waffen und Ausrüstung im Wert von 4,3 Milliarden Dollar an Amerikas Polizeikräfte verhökert. Eine fatale Fehlentwicklung. Wer einen solchen Hammer besitzt, für den scheint jedes Problem nur ein Nagel zu sein.
Pressekontakt:
Weser-Kurier
Produzierender Chefredakteur
Telefon: +49(0)421 3671 3200
chefredaktion@Weser-Kurier.de
Original content of: Weser-Kurier, transmitted by news aktuell