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Weser-Kurier: Kommentar von Moritz Döbler über Flüchtlingspolitik

Bremen (ots)

Carsten Sieling hatte vor einem Jahr den richtigen Ton getroffen. "Die Flüchtlinge nehmen enorme Strapazen und finanzielle Belastungen in Kauf, um nach Deutschland zu kommen. Es ist erschütternd zu hören, was sie und ihre Familien in den Heimatländern erlebt haben." Das sagte er bei einem Besuch in einem Wohnheim, für den er sich drei Stunden Zeit nahm. An der Empathie, die damals aus seinen Worten klang, fehlt es in diesen Tagen häufig. Wenn von Flüchtlingen in Bremen die Rede ist, dann stets in negativem Kontext. Eine kleine Gruppe Minderjähriger verübt fortgesetzt Straftaten. Die hygienische Lage in einem Wohnheim stellt sich als unerträglich und gesundheitsgefährdend heraus. Ein erstes Zelt wird als Alternative errichtet, und die zuständige Senatorin macht den Eindruck, dass diese Entwicklung sie überrascht. Die allermeisten Flüchtlinge bleiben auf Zeit, kehren irgendwann in ihre Heimat zurück. Bis sie das gefahrlos tun können, gebietet es die Menschlichkeit, sie willkommen zu heißen. Das sollte in Deutschland, das so viel Unmenschlichkeit über die Welt gebracht hat, selbstverständlich sein. Und an einem Ort wie Bremen, der maßgeblich vom globalen Handel - auch mit Rüstungsgütern - lebt, muss die Offenheit eher noch größer sein als anderswo. Es scheint fast, als seien die Bürger hier weiter als die Politik. Dumpfe Stammtischparolen sind anders als vor zwei Jahrzehnten selten zu hören, stattdessen werden an den Wohnheimen Sachspenden abgegeben. Anteilnahme überwiegt, trotz mancher Schwierigkeiten, die es im Zusammenleben gibt. Die Politik sollte sich daran ein Beispiel nehmen und zügig Lösungen für die praktischen Probleme finden, die sich täglich neu auftun. Fehlende Feuerlöscher sollten sich jedenfalls binnen weniger Stunden beschaffen lassen und eigentlich gar nicht der Rede wert sein müssen. Selbst im chronisch klammen Bremen geht es hier weniger ums Geld und mehr um Haltung. Carsten Sieling fand vor einem Jahr richtige, aufrichtige Worte. Jetzt, als designierter Regierungschef, täte er gut daran, seine Koalition auf diese Offenheit und Menschlichkeit einzuschwören.

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