Weser-Kurier: Leitartikel von Marc Hagedorn über Franz Beckenbauer
Bremen (ots)
Sepp Blatter - für 90 Tage gesperrt. Jack Warner - lebenslang gesperrt. Chung Mong Joon - für sechs Jahre gesperrt. Michel Platini - für 90 Tage gesperrt. Mohamed bin Hammam - lebenslang gesperrt. Chuck Blazer - lebenslang gesperrt. Das sind nur sechs Namen von Männern, mit denen Franz Beckenbauer im Dezember 2010 zusammensaß, als über die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaften 2018 nach Russland und 2022 nach Katar entschieden wurde. Was für ein ausdrucksstarkes Bild: Deutschlands Lichtgestalt, der Fußball-Kaiser, inmitten all dieser zwielichtigen Gestalten. Geschadet hat es dem Ansehen Beckenbauers hierzulande all die Jahre trotzdem nicht. Der Franz blieb für viele der Franz, der uns das Sommermärchen 2006 ins Land geholt hat. Der Franz blieb der Franz, der sich in drei Sätzen ruhig zweimal widersprechen durfte - und trotzdem hat man ihn immer wieder zu allen Themen des Fußballs befragt. Es soll Menschen geben, die den Fußball-Kaiser aufrichtig dafür bewundern, dass er alle Probleme und Unannehmlichkeiten einfach weglächeln kann. Ob diesmal ein Lächeln reicht? Nach Ansicht der Ethik-Kommission waren Beckenbauers Verstöße gegen den Fifa-Kodex immerhin so groß, dass sie Anklage gegen ihn erhoben hat. Beckenbauer droht im schlimmsten Falle eine Sperre für alle Fußballaktivitäten. Damit könnte er womöglich sogar leben, denn ein hohes Amt strebt er, 70 Jahre alt inzwischen, schon lange nicht mehr an. Vielleicht kommt er auch mit einer milderen Strafe davon, wofür es angeblich Anzeichen geben soll. Aber selbst dann ist die Anklage ein Zeichen mit Symbolkraft. Bis vor wenigen Monaten war die Ethik-Kommission nicht gerade bekannt dafür, besonders scharf vorgegangen zu sein. Erst seitdem sich FBI, US-Staatsanwälte, Steuerbehörden und seit Kurzem auch die Schweizer Bundesanwaltschaft für das Treiben bei der Fifa interessieren, kommt Bewegung in den Laden. Deshalb strahlt die Anklage über das persönliche Schicksal des Kaisers hinaus: Sommermärchen, Niersbach, Beckenbauer - längst ist die deutsche Fußballwelt ins Wanken geraten. Die dunklen Flecken häufen sich.
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