Weser-Kurier: Mirjam Moll über den Europatag:
Bremen (ots)
An diesem Montag ist Europatag. Die EU-Beamten haben frei, zumindest in Brüssel wird der Tag wie ein Feiertag gehandelt. Doch Kritiker mögen zu Recht fragen, wem in Zeiten der Dauerkrisen eigentlich noch zum Feiern zumute ist. Denn in der Gemeinschaft gibt es derzeit mehr Probleme als Lösungen - zumindest auf den ersten Blick. Die Flüchtlingskrise wurde bisher nur zum Teil gelöst, mit dem erzwungenen Abgang des türkischen Premiers Ahmet Davutoglu zeichnen sich neue Probleme im Dialog mit Ankara ab. Hinzu kommt die zu erwartende neuerliche Flüchtlingswelle aus Italien, wenn sich Menschen aus afrikanischen Krisengebieten über Libyen nach Europa aufmachen. Griechenlands Finanzkrise, die vergangenes Jahr fast zu dessen Austritt aus der Eurozone führte, weitet sich gerade wieder aus - das Gespenst eines Grexits aus der Gemeinschaftswährung ist wieder erwacht. Dann wäre da noch die Abstimmung in Großbritannien über dessen Verbleib in der EU. Über die Folgen eines Brexits für die Wirtschaft sind sich selbst Experten uneins - die Konsequenzen für den Finanzmarkt aber dürften verheerend sein. Da geht einem ein Loblied auf Europa nicht gerade leicht über die Lippen. Dabei sollte sich doch herumgesprochen haben, dass die Probleme nicht ein Ergebnis von zu viel, sondern von zu wenig EU sind. Die oft gepriesenen Errungenschaften zeigen den Weg: Sie entstanden, wenn die Union zu einem Schulterschluss fähig war. Und dafür muss man noch nicht einmal so weit zurückgehen, dass mit der Schaffung der Gemeinschaft seit vielen Jahrzehnten Frieden herrscht. Die gemeinsame Währung oder die Reisefreiheit, die viele heute für selbstverständlich halten, gehört ebenfalls dazu. Dass sie in diesen Tagen in Gefahr gerät, ist nicht das Verschulden der EU - sondern der Mitgliedstaaten, die sich einer europaweiten Lösung in der Flüchtlingskrise verwehrt haben. Denn anders als von der Öffentlichkeit oft wahrgenommen, unterwerfen diese sich keinesfalls einem Diktat aus Brüssel, sondern sind maßgeblich am Entscheidungsprozess beteiligt. Wann immer etwas schiefgeht, weisen Europas Hauptstädte dennoch gerne mit dem Finger nach Brüssel, Erfolge schreiben sie sich jedoch selbst zu. Es ist dieser falsche Nationalismus, der Europas größte Herausforderung bedeutet. An ihren Krisen ist die Gemeinschaft bislang immer gewachsen. Das kann man der EU auch einmal zugutehalten.
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