Weser-Kurier: über Medaillenspiegel schreibt Silke Hellwig:
Bremen (ots)
Danyel Reiche traut sich was. Erst hat er im "Spiegel" für multinationale Teams plädiert ("Gold für Weltbürger"); jetzt hat der Politologe mit Schwerpunkt "Politik im Sport" den Medaillenspiegel infrage gestellt. Während sich der durchschnittliche TV-Sport-Konsument fragt, was solch ein Ranking angesichts russischer Dopingsünder überhaupt noch wert ist, stellt sich Reiche öffentlich andere Fragen. Bedenklich sei beispielsweise die Grundlage der Bemessung, schließlich konkurriere eine Nation wie China mit 1,38 Milliarden Menschen (und 416 Athleten) gegen Liechtenstein mit knapp 37 000 Einwohnern (und drei Sportlern). Einzel- zählten außerdem mehr als Mannschaftssportarten. Laut dem "ewigen Medaillenspiegel" wurden in 49 Spielen 17 582 Medaillen vergeben, die USA führt die Rangliste mit 2679-mal Edelmetall an. Deutschland rangiert auf Platz drei. Elf Nationen befinden sich mit je einer Medaille auf dem letzten, dem 123. Rang - darunter Togo, Niger, Mauritius und Eritrea. Na, klingelt da was? Richtig, Habenichtse treten im Eins-zu-eins-Vergleich gegen führende Wirtschaftsnationen an. Ist das fair? Na ja, noch ein Ranking, morgen Schnee von gestern. Doch dass es sich um mehr als eine Spielerei handelt, zeigen die Erwartungen, die das für den Spitzensport zuständige Bundesinnenministerium formuliert. Aus London sollten deutsche Athleten 86 Medaillen mitbringen, 28-mal Gold. Es wurden 44 und elf, ein Maßstab auch für Rio. Doch Medaillen können nicht nach Milchmädchenrechnung kalkuliert werden. Worum geht es also? Um internationales Renommee? Oder in erster Linie um ein vorzeigbares Resultat aus einer ansehnlichen Investition mit Steuergeld (2015 gut 150 Millionen Euro)? Wo bleibt der olympische Gedanke? Andernorts: Die Mehrheit der Nationen, die in London dabei waren, gewann rein gar nichts. Das wird in Rio nicht anders sein. Dennoch nehmen Athleten teil, die kaum Siegeschancen haben. Glücklicherweise: Gewinner brauchen Verlierer, und man kann bekanntlich auch ohne Gold glänzen.
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