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Weser-Kurier: Joerg Helge Wagner über das Referendum in der Türkei

Bremen (ots)

Natürlich war die sogenannte Volksabstimmung in der Türkei weder demokratisch noch fair. Wie konnte sie es auch sein angesichts drangsalierter Oppositionsparteien, gegängelter Medien, zig inhaftierter Journalisten, Zehntausender aus dem Staatsdienst gedrängter Wissenschaftler, Juristen Polizisten und Militärs?

Die besonders dreiste Eilentscheidung der Wahlkommission, auch Stimmzettel ohne den Stempel des jeweiligen Wahllokals zu werten, bricht sogar türkisches Recht. Aber das schert Erdogan und seine Fans einen Dreck - wie eben alle demokratischen Standards, von Gewaltenteilung bis Meinungs- und Versammlungsfreiheit.

Dass das Ergebnis trotz aller Repression so knapp ausfiel, lässt für Erdogan nur einen Schluss zu: Der Druck auf die Gegner hat eben immer noch nicht gereicht. Die nächsten zwei Jahre werden richtig hässlich und die Türkei womöglich an den Rand eines Bürgerkrieges treiben. Erdogan wird das - wie alle Selbstherrscher - in Kauf nehmen. Erwartungen, er suche nun "einen respektvollen Dialog mit allen politischen und gesellschaftlichen Kräften des Landes", widersprechen jedweder Erfahrung mit dem Mann.

Umso schlimmer, dass diese wohlmeinend-windelweiche Formulierung von der Bundeskanzlerin und ihrem Vizekanzler stammt, also der Regierungsspitze unserer durchaus funktionierenden Demokratie. Natürlich brauchen Merkel und Gabriel, die Bundesrepublik und der ganze Westen die Türkei: als strategischen Partner, wirtschaftlich wie sicherheitspolitisch. Genau wie etwa Pakistan oder Saudi-Arabien. Man kooperiert, wo man gemeinsame Interessen hat. Punkt.

Jegliches Gerede über europäische Perspektiven verbietet sich vermutlich über viele Jahre. Ein "Weiter so" mit Erdogan würde auch der türkischen Opposition, die jede Unterstützung verdient, kein bisschen helfen. Und Erdogan selbst bereitet den "Türxit" vor, um ja nicht erst beitreten und EU-Standards akzeptieren zu müssen.

Leider hat Martin Schulz recht - wenn auch anders, als er es meint: "Erdogan ist nicht die Türkei". Nein, ist er nicht, denn viele Türken sind wie Erdogan, selbst hier bei uns in Deutschland, aber auch in Frankreich oder Österreich. Sie können mit Europa nichts anfangen. Und leider hat der türkisch-stämmige Grünen-Chef Cem Özdemir unrecht: Es liegt nicht an einer verfehlten Integrationspolitik. Denn auch manche vordergründig integrierte, beruflich erfolgreiche, fließend Deutsch sprechende Türken ticken wie ihr Präsident. Hier muss unsere Demokratie wachsam sein.

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