Weser-Kurier: Frank Nordhausen über das geteilte Zypern
Bremen (ots)
Nach Hunderten ergebnisloser Gespräche wird ab Mittwoch wieder um die Wiedervereinigung der geteilten Insel Zypern gerungen. Die auf zehn Tage angesetzte Konferenz im schweizerischen Crans-Montana wurde von den Vereinten Nationen bereits als finale Runde zur Lösung des endlosen Inselstreits angekündigt. Doch schon die Vorbereitungen standen unter einem schlechten Stern. Denn ein "gemeinsames Dokument", das der UN-Vermittler Espen Barth Eide als Verhandlungsleitfaden angekündigt hatte, wurde von den Konfliktparteien der griechischen und türkischen Zyprer als "substanzlos" zurückgewiesen. Neben den zwei Präsidenten der geteilten Insel beteiligen sich an den Gesprächen als Garantiemächte Zyperns die Türkei, Griechenland und Großbritannien, das zwei Militärstützpunkte auf Zypern unterhält, sowie die EU als Beobachter. Die Garantiemächte erklärten vor Beginn, sie erwarteten "dass alle Parteien sich an einen Tisch setzen und das Problem lösen". Die gemischtethnische drittgrößte Mittelmeerinsel ist seit 1974 geteilt, als es nach einem von der griechischen Militärregierung angezettelten Putsch zur Vereinigung mit Griechenland zu Gewalt gegen die Inseltürken und einer Militärintervention der Garantiemacht Türkei kam. Im nördlichen Inseldrittel gründete sich die Türkische Republik Nordzypern, die weltweit nur von Ankara anerkannt wird. Die Türkei hat offiziell rund 35.000 Soldaten stationiert, unterhält aber nach Informationen dieser Zeitung derzeit höchstens die Hälfte, weil sie das Militär anderswo benötigt. Bei einem Referendum 2004 stimmten die türkischen Zyprioten für die Wiedervereinigung, während die Zyperngriechen diese ablehnten. Trotzdem wurde die Republik Zypern 2004 mitsamt der ungelösten Probleme in die EU aufgenommen. Es galt als Glücksfall, als 2015 der moderate Mustafa Akinci zum Präsidenten Nordzyperns gewählt wurde, der ebenso wie sein südzyprischer Amtskollege Nikos Anastasiadis kompromissbereit war. Ein historisches Fenster schien sich zu öffnen. Die beiden Präsidenten nahmen im Mai 2015 Gespräche über eine Wiedervereinigung als Föderation zweier Bundesstaaten mit weitgehender Selbstverwaltung auf. Das politische Klima hat sich seither verschlechtert. Zwar haben sich beide Seiten inzwischen über die meisten Punkte der Wiedervereinigung geeinigt. Doch noch immer sind entscheidende Streitfälle ungeklärt - vor allem das Thema Sicherheit. Während die Zyperngriechen die Türkei als Garantiemacht ablehnen und die Präsenz ihrer Truppen beenden wollen, geht es den Inseltürken um eine faire Teilung der Macht, Eigentumsrechte und Gebietsgarantien. Nordzyperns Präsident Akinci und die Regierung in Ankara wollen, dass die Türkei auch in Zukunft als Garantiemacht den Schutz der türkischen Einwohner, die mehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung ausmachen, sicherstellt. Das ist für sie nicht verhandelbar. Aus Ankara kommen derzeit positive Signale. Offenbar ist die türkische Regierung dazu bereit, ihre Truppen auf der Insel deutlich zu reduzieren. Doch in Südzypern ist das Trauma der türkischen Intervention von 1974 keinesfalls überwunden, und jedes Abkommen, das nicht wenigstens einen Zeithorizont für den Komplettabzug beinhaltet, ist für Präsident Anastasiadis nicht akzeptabel. Andere Streitpunkte sind die angedachte Rotation des Präsidentenamtes, die neu entdeckten Erdgasfelder unter dem Meer, auf deren gemeinsamer Ausbeutung die Inseltürken bestehen, sowie die Rückgabe besetzter Gebiete im Norden, den die Inselgriechen fordern. Auf der Habenseite stünden die Vorteile einer Wiedervereinigung. Der Tourismus im unentwickelten Norden würde sprunghaft wachsen. Zypern könnte eine Energiebrücke für Gas- und Ölpipelines aus dem Nahen Osten über die Türkei in die EU werden. Angesichts der nahöstlichen Konflikte würde Zyperns Rolle als "unsinkbarer Flugzeugträger" der Nato gestärkt. Das Problem sind denn auch weniger die objektiven Interessen als die Gewöhnung aller Seiten an den Status Quo. Weil die politischen Verhältnisse stabil sind, zeigen vor allem die Zyperngriechen wenig Interesse an einer Kompromisslösung. Doch je länger die beiden Bevölkerungsgruppen warten, desto mehr zementieren sie die Teilung der Insel. In Zypern spüren eigentlich alle Akteure, dass die Gespräche von Crans-Montana die letzte Chance für die Wiedervereinigung sein könnten. Es wäre ein historischer Fehler, die Gunst der Stunde nicht zu nutzen.
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