Weser-Kurier: Über sexuelle Belästigung schreibt Alice Echtermann:
Bremen (ots)
In einer idealen Welt bräuchten Frauen keine Extra-Taxis, keine Komm-gut-nach-Hause-App. Sie bräuchten nicht in einer Bar oder Disco nach "Luisa" fragen, damit das Personal weiß, dass sie sich bedroht fühlen und Hilfe benötigen. In einer idealen Welt hätten alle Männer verstanden, dass Frauen keine Objekte sind. Nichts, was man sich einfach nehmen oder anfassen kann, wann immer Mann möchte. Aber wir leben leider noch nicht in dieser Welt. Deshalb ist das Projekt Luisa des Notrufs Bremen zwar eine gute Idee für Frauen in Bedrängnis. Es ist aber nur eine Hilfe - keine Lösung. Das Problem liegt tiefer. Warum gibt es so viele Hilfsmittel für Frauen, damit sie sich sicherer fühlen? Maßnahmen wie diese verschleiern nur das eigentliche Problem, das jede Frau kennt. Wem wurde noch nicht in der Disco an den Hintern gegrapscht? Früher haben wir allein auf dem dunklen Heimweg eine Freundin angerufen und sie so lange am Telefon gehalten, bis wir sicher die Haustür hinter uns geschlossen hatten. Heute gibt es dafür Apps. Das Pfefferspray in der Tasche oder das Umklammern des Schlüsselbundes als improvisierten Schlagring ersetzen sie nicht. Und auch Codes wie "Ist Luisa da?" erzeugen nicht mehr Sicherheit. All das sind Reaktionen auf einen gesellschaftlichen Missstand, der Jahrhunderte alt ist. Es sind Symptome einer widerlichen Haltung gegenüber Frauen, die wir auch im Jahr 2017 noch nicht völlig überwunden haben. So lange Männer Frauen sexuell belästigen und Frauen Angst vor Männern haben müssen - so lange gibt es noch viel zu tun. Die Lösung ist nicht, einen günstigeren Taxitarif anzubieten oder spezielle Hotlines für Opfer häuslicher Gewalt. Es muss endlich Schluss sein damit, die Antworten bei den Frauen zu suchen. Nicht der kurze Rock ist Schuld, sondern der Mann, der ihn als Freikarte für Belästigung versteht. Die Lösung liegt in der gesellschaftlichen Aufklärung - nicht der Frauen, sondern der Männer.
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