Rheinische Post: Die Steinbach-Falle
Düsseldorf (ots)
von Gregor Mayntz
Erfolgreiche Kanzler arbeiten nach dem Prinzip "Spinne im Netz": Überall die Fäden auslegen, um jeden Luftzug mitzukriegen, der Beute oder ein Problem anzeigen könnte. Wenn sich Angela Merkel daran orientiert, dann hat ihr Vorwarnsystem beim "Zentrum gegen Vertreibung" kläglich versagt. Und das bei einem Thema, für das ihr eigenes Kanzleramt zuständig ist. Die Eskalation des Falles Steinbach droht das gerade wieder besser gewordene deutsch-polnische Verhältnis gründlich zu verderben wenn die Kanzlerin an der Vertriebenen-Präsidentin (und Parteifreundin) festhält. Umgekehrt könnte der Druck im Kessel der Union unkontrollierbar werden, wenn sie die Repräsentantin einer Kernklientel der Partei fallen lässt. Eine klassische Doppel-Falle, deren Mechanismus der Vizekanzler als SPD-Kanzlerkandidat zusätzlich geölt hat, indem er den Fall zum "CDU-internen Thema" erklärte und Entscheidungen anmahnte. Noch spielt Merkel auf Zeit. Doch längst ist klar, dass bald eine Lösung her muss. Der Ausgang des vergleichsweise nachrangigen Falles wird nun durch Merkels Schleifenlassen die Frage beantworten, ob sie eine kluge Kanzlerin oder eine umsichtige CDU-Chefin ist. Oder beides nicht.
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