Rheinische Post: Merz, Benedikt, Steinbach
Düsseldorf (ots)
von Sven Gösmann
Auf den ersten Blick haben diese Nachrichten nichts miteinander zu tun: Erika Steinbach, Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, verzichtet nach hitziger Debatte auf einen Sitz im Stiftungsbeirat des geplanten Zentrums für Vertreibung. Und das Meinungsforschungsinstitut Forsa ermittelt für die CDU/CSU bei der so genannten Sonntagsfrage 33 Prozent, den niedrigsten Wert seit drei Jahren. Doch der zweite Blick reicht weiter. Der honorige Schritt der CDU-Bundestagsabgeordneten Erika Steinbach verwischt nicht die politischen Ursachen, die zu ihm geführt haben. Steinbach sieht sich von polnischer Seite, gern aufgegriffen von einer rot-grünen Allianz im Bundestag, zum Teil irrationalen Vorwürfen ausgesetzt, sie sei revanchistisch, eine Feindin der deutsch-polnischen Aussöhnung. Wer so redet, verkennt, dass Steinbach den Bund der Vertriebenen als Präsidentin hin zur Mitte geführt hat. Ihr Projekt, an die Vertreibung von Millionen Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg zu erinnern, ergänzt um die Problematik der Verfolgung weltweit, ist in der Form diskutierbar, aber im Ansatz richtig. Selbst Polens Regierungsspitze räumte ein, ihr Umgang mit Steinbach und ihrem Zentrumsprojekt trage Züge der Obsession. Umso wichtiger wären frühzeitige Signale von Steinbachs Parteivorsitzender Angela Merkel in dieser Sache gewesen. Sie gab erst eine Erklärung ab, als Steinbachs Rückzug schon unvermeidlich war. Wieder einmal hat Merkel nichts riskiert, sondern laviert. Dies tat sie im Ton und in der Sache unsicher, wie schon im Fall ihrer Papst-Schelte, als sie meinte, Benedikt XVI. zu einem klaren Bekenntnis gegen Antisemitismus drängen zu müssen. Nun stellen längst weder die Vertriebenen noch die papsttreuen Katholiken die entscheidenden Truppen auf CDU-Parteitagen. Aber Merkel verprellt mit ihrer mangelhaften Unterstützung für Steinbach abermals den konservativen Teil der CDU. Der ist ihr wesensfremd geblieben, sie benötigt ihn aber für ihren Wahlerfolg. Erschwerend kommt hinzu, dass der Wirtschaftsflügel sich schon länger von dieser Kanzlerin und ihrem Kurs in der Krise nur bedingt vertreten sieht. Man muss nur die Beifallsstürme erleben, die auf CDU-Wirtschaftsforen Friedrich Merz oder FDP-Chef Guido Westerwelle ernten, wenn sie einstige Selbstverständlichkeiten christdemokratischer Wirtschaftspolitik betonen. Was Merkel im Unionslager an Gefolgschaft verliert, gewinnt sie allenfalls an persönlicher Sympathie in unionsfernen Milieus der Gesellschaft hinzu. Dies zahlt sich aber bislang nicht in Stimmen für die Partei aus. Man könnte so rechnen: Merz kostet einen Prozentpunkt, Papst-Schelte noch einen und Steinbach noch einen. Macht die CDU so weiter, holt sie die SPD (derzeit 24) von oben ein.
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