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Rheinische Post: Die Zukunft der Volksparteien Von Martin Kessler

Düsseldorf (ots)

Für das bisherige Parteiensystem war die
Bundestagswahl vom Sonntag eine entscheidende Wegmarke. Die 
Volkspartei in ihrer gegenwärtigen Ausprägung ist tot. Das gilt für 
die SPD, die nach allen Seiten hin verloren hat. Aber auch die Union 
muss sich vorsehen. Was sie links der Mitte hinzugewann, hat sie an 
Stammwählern an die FDP abgegeben. Nur weil die Wähler im 
bürgerlichen Lager blieben, reichte es am Ende für Schwarz-Gelb.
Den bittersten Part beim Niedergang der Volksparteien spielte jedoch 
die SPD. Sie hat in nur zehn Jahren fünf Mal ihren Vorsitzenden 
verloren. Kein Wechsel konnte den Niedergang aufhalten. Es ist 
fraglich, ob die geplante Staffelübergabe an den Ex-Kandidaten 
Steinmeier daran viel ändert.
Es passt vieles nicht in der SPD. Die Führung erwies sich gegen eine 
machtbewusste und variantenreiche CDU-Vorsitzende Merkel als zu 
schwach. Die klare Perspektive für eine von der SPD bestimmte 
Regierung fehlte. Im Grunde blieb nur die Position des Juniorpartners
in einer großen Koalition. Das war zu wenig für potenzielle 
SPD-Wähler.
Aber noch wichtiger ist: Steinmeier und Müntefering konnten das 
Wahlvolk nicht mit ihrem neuen Programm versöhnen. Die Menschen 
wollten klare Perspektiven für ihre soziale und wirtschaftliche Lage 
sehen. Stattdessen bekamen sie die Blaupause eines von der 
Unternehmensberatung McKinsey ausgearbeiteten 
Branchen-Entwicklungskonzepts, genannt Deutschlandplan. Aus dem 
zauberte Steinmeier dann vier Millionen neue Jobs. Das überzeugte die
sozialdemokratisch geneigten Wähler nicht. Die alte Verbindung 
zwischen dem Ziel der sozialen Gerechtigkeit und einem pragmatischen 
Wirtschaftskurs funktioniert nicht mehr. Weil die Wähler das spüren, 
verliert die SPD. Die Begründung für die notwendigen ökonomischen 
Reformen von Hartz-IV und Rente mit 67 hat die Wähler nicht 
überzeugt.
Bleibt nun das Feld der Union überlassen? In Bayern zeigt sich, dass 
die CSU von höherem Niveau aus ähnlich stark verloren hat wie die 
SPD. Da mögen wie in Baden-Württemberg viele Unionswähler aus 
taktischen Gründen für die FDP votiert haben. Aber darauf sollte sich
die Union nicht verlassen.
Merkel hat in einem mathematisch präzisen Wahlkampf mit viel gesundem
Menschenverstand das Ergebnis herbeigeführt, mit dem sie vier Jahre 
regieren kann. Die Verluste ihrer eigenen Partei hat sie kühl 
einkalkuliert. Wenn die Union nicht die alte Bindekraft für 
Konservative, christlich Soziale und liberale Kräfte entwickelt, 
droht ihr auf Dauer das Schicksal der SPD.
Ohnehin leben beide Parteien stark von der Zustimmung der Rentner. 
Die Erstwähler machten nur zu 40 Prozent ihr Kreuz bei Union oder 
SPD. Die kleinen Parteien, einschließlich der neuen Piratenpartei, 
haben bei den Jungwählern eine Mehrheit. Auch so könnten die 
Volksparteien langsam aussterben.

Pressekontakt:

Rheinische Post
Redaktion

Telefon: (0211) 505-2303

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