Rheinische Post: Ein irritierender Nobelpreis Kommentar Von Lothar Schröder
Düsseldorf (ots)
Bei aller Freude über den Literatur-Nobelpreis an Herta Müller - die Ehrung irritiert. Nicht nur, dass mit ihrem Werk wieder einmal europäische Literatur den höchsten Lorbeer ergattert. Diesmal erscheint zudem das Thema für diese weltweit beachtete Auszeichnung etwas zu schmal geraten. Ist denn das Schicksal der deutschen Minderheit in Rumänien - so furchtbar und weitgehend unbedacht es sein mag - auch für die Menschen in Amerika oder Afrika bedeutsam? Sind die Romane in diesem hohen aufklärerischen Sinne also Weltliteratur? Die Fragen sind schlechterdings nicht zu beantworten. Weil poetische Wahrheiten stets die erzählten Wirklichkeiten übersteigen. Das ist - sagen wir es ruhig materialistisch - der Mehrwert aller ästhetischen Vermittlung. Bei Herta Müller ist es die Fremde und der fremde Blick, der nicht heimisch werden will bei dem, was er sieht. Und es ist die Erinnerung an eine schuldhafte Vergangenheit: Herta Müllers Vater war ein SS-Mann. Nun ist die 1953 geborene Dichterin natürlich nicht Teil dieser Schuld; aber sie ist Teil der Geschichte. Und mit jedem Rückblick, jeder erinnernden Erzählung wird diese Verstrickung qualvoll, aber notwendig in die Gegenwart verlängert. Die Ehrung im Namen Alfred Nobels beschreibt 2009 - über die Nationalität der Preisträgerin hinaus - mithin die Erfahrung der Deutschen.
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