Rheinische Post: Flucht aus dem Amt
Düsseldorf (ots)
Deutschland befindet sich in der tiefsten Krise der Nachkriegszeit. In einer Phase, in der die Bevölkerung Vertrauen in die Institutionen des Landes haben muss, erklärt Bundespräsident Köhler seinen Rücktritt. Damit liefert er seinen Kritikern den Nachweis, dass ausgerechnet der Inhaber die Bedeutung des höchsten Amtes im Staat falsch einschätzt. Köhlers Motive, die in persönlicher Verletztheit und wohl auch getroffener Eitelkeit zu suchen sind, machen es schwer, seinen Rücktritt zu akzeptieren. Ein Bundespräsident darf sich nicht von der parteipolitisch motivierten Kritik zweitrangiger Vertreter des Berliner Betriebes und auch nicht von einem kritischen Medienecho derart erschüttern lassen, dass er aus dem Amt flieht. Zumal Kritik an Äußerungen des Staatsoberhaupts wie seiner Amtsführung in einer Republik durchaus gestattet und noch kein Beleg mangelnden Respekts vor dem Amt sind. Eher lassen der Rücktritt und seine Umstände diesen Respekt vor dem Amt vermissen. Köhler begibt sich leider in eine Reihe mit jenen, die Regierung und Parlament und den sie tragenden Parteien argwöhnisch gegenüberstehen. Von Beginn seiner Amtszeit an beschritt Köhler diesen gefährlichen Weg, in dem er von "den Politikern" sprach und sich außerhalb des Systems stellte, dessen herausragender Teil er selber sein müsste. Ein unangreifbarer Bürgerpräsident - das war Köhlers Selbstbild. Ein glückloser Bundespräsident - das ist nach sechs Jahren das Fremdbild, das auch viele Politiker aus Union und FDP von ihm gewonnen haben. Dabei waren es mit Angela Merkel, Guido Westerwelle und dem damaligen CSU-Chef Edmund Stoiber die bürgerlichen Parteien, die Köhler auf Westerwelles Wohnzimmercouch als Pionier der schwarz-gelben Republik auserkoren hatten. Beide Seiten entfremdeten sich bald, Köhlers Wiederwahl 2009 war zähneknirschende Routine. Längst galt der Versuch als gescheitert, mit dem vielbeschworenen Außenseiter "Horst wer . . .?" frischen Wind in die Politik zu bringen. Der hölzerne Redner schoss entweder mit resignativer Angst-Rhetorik über das Ziel hinaus, indem er die Finanzmärkte als "Monster" geißelte, oder er vergaloppierte sich in heiklen Fragen mit missverständlichen Formulierungen. Wie jetzt bei einem Interview, das die Deutung zuließ, er rede Wirtschaftskriegen das Wort. Ein politischer Profi hätte im Nachhinein anders reagiert als Köhler, hätte mit persönlichen Erklärungen, auch einmal einer Entschuldigung Dinge gerade gerückt. Und er hätte Kritik ausgehalten. Als letzte Amtshandlung stürzt Köhler das Land in eine Vertrauenskrise. Die Bundesregierung, auch viele Landesparlamente - besonders das in Nordrhein-Westfalen - hätten anderes zu tun, als einen Bundespräsidenten zu suchen. Trist endet eine Amtszeit, die die Ära eines Erneuerers werden sollte.
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