Rheinische Post: Auf Distanz zu Karlsruhe
Düsseldorf (ots)
Ein Kommentar von Reinhold Michels:
Das Bundesverfassungsgericht hat seine eigene Entscheidung von 2004 zur Sicherungsverwahrung revidiert und nun für verfassungswidrig erklärt, was die Karlsruher Hürden vor sieben Jahren genommen hatte: der Leitgedanke, dass das Grundrecht auf Freiheit gemeingefährlicher Menschen grundsätzlich hinter dem Grundrecht auf Leben, Unversehrtheit, sprich: Sicherheit zurückzutreten habe. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kann sich damit nicht anfreunden, Karlsruhe anscheinend auch nicht mehr. Es errichtet der Justiz hoffentlich nicht unüberwindbare Hürden vor der Anordnung von Sicherungsverwahrung. Nicht nur die Opferschutz-Organisation "Weißer Ring" wahrt Distanz zu dem Urteil. Diejenigen, die scheußlichste Delikte erlitten haben, werden innerlich aufbegehren gegen die Überbetonung des Freiheitsgedankens zu Gunsten von Triebtätern. Verstörend klingt die Urteilspassage, wonach die aus dem Verkehr Gezogenen im Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit "ein Sonderopfer" erbringen. Übelste Zeitgenossen als Opfer? - ein schwer erträglicher Gedanke. Bei aller Bedeutung von Therapie-Anstrengungen: Hier sind Karlsruhe Maßstäbe verrutscht. Und wenn das Gericht seine Meinung schon revidiert, sollte es das auch endlich bei der täterfreundlichen Interpretation von "lebenslang" tun.
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