Rheinische Post: Tauwetter in Washington
Düsseldorf (ots)
Die USA-Reise der Bundeskanzlerin geriet zu einer Frischzellenkur für das etwas angestaubte transatlantische Bündnis. Fast überschwänglich, mit großem Talent für Gesten, rollte der amerikanische Präsident der deutschen Regierungschefin den roten Teppich aus. Doch sollte man sich von den Lobhudeleien nicht blenden lassen. Obamas Wohlfühl-Empfang ist vor allem auf zwei handfeste innenpolitische Interessen des Amerikaners zurückzuführen. Eineinhalb Jahre vor seiner möglichen Wiederwahl ist Obama auf ein entschlossenes, zielführendes Handeln Merkels in der Euro-Krise angewiesen. Der Zusammenbruch des Euro und eine Krise der wichtigsten Handelspartner Amerikas würde die Rezessionsgefahr im überschuldeten Amerika aufleben lassen. Obama könnte sich eine zweite Amtszeit abschminken. Hinzu kommt: Die Vereinigten Staaten wollen nicht mehr alleinige Feuerwehr in den internationalen Krisenherden sein, schon aus finanziellen Gründen. Ab und zu wenigstens soll künftig Deutschland einen Löschzug anführen. Auch mit schwerem Gerät. Den Libyen-Streit hat Obama mit einer zweifelhaften Arbeitsteilung entschärft. Die USA bomben Gaddafi weg, Deutschland richtet das Land zivil wieder auf. Die Frage ist bloß: Welcher Einsatz ist langfristig beschwerlicher und teurer?
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