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Rheinische Post: Zum ESM: Deutschland haftet für Europa

Düsseldorf (ots)

Es sind drei Buchstaben, die dieses Land verändern werden. Die gestrige Entscheidung des Bundestages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus, kurz ESM, ist von historischer Tragweite, vergleichbar mit dem Einheitsvertrag 1990. Auch dieses Mal votierten die Abgeordneten für die Einheit - für die Einheit Europas. So lautet das hehre Ziel der Operation. Die Frage ist bloß, ob der kränkelnde Patient Europa zu Kräften kommt oder der deutsche Rettungssanitäter einen Kollaps erleidet. Zweifel an der Wirksamkeit und Rechtfertigung des ESM sind angebracht. Der euphemistisch als Rettungsschirm bezeichnete Fonds ist nichts weniger als der Nukleus einer Haftungsunion. Mit dem Fonds wird das von den EU-Gründungsvätern festgelegte Verbot zur Übernahme anderer Länder Schulden gekippt. Zu einem hohen Preis. Das Fondskapital entspricht mit 700 Milliarden Euro dem Wert der beiden weltgrößten Unternehmen Apple und Exxon. Der Fonds ist 70-mal größer als die Europäische Zentralbank. Der deutsche Steuerzahler ist mit 190 Milliarden Euro Bürge. Die Kredite für Griechenland, die Gelder für IWF-Programme und Ausleihungen der Bundesbank an andere Zentralbanken sind gar nicht mitgerechnet. Was die finanzielle Beteiligung am Krisenmanagement betrifft, ist Deutschland also längst Europameister. Umso problematischer, dass die Auflagen, die Schuldenländer für die Inanspruchnahme der Notkredite erfüllen müssen, mit jedem Krisengipfel an Härte verlieren. Und der Einfluss der deutschen Volksvertreter auf die Verwendung ihrer Steuergelder ist dürftig. Der ESM höhlt die Demokratie aus. Eine zweistündige Parlamentsdebatte kurz vor der Sommerpause ist ein Affront für Verfassungspatrioten. Laut Vertrag darf der Gouverneursrat des ESM in Abwesenheit des deutschen Mitglieds über Milliardenbeträge entscheiden. Warum macht der Bundestag das mit? Das Bundesverfassungsgericht wird zu klären haben, ob Bundestag und Budgethoheit eigentlich noch zusammenpassen. Und es geht munter weiter. Dass Kanzlerin Merkel direkte Finanzspritzen aus dem Rettungsfonds für Banken erlaubt, ist der Vorbote einer Ausweitung des Fonds zu einer Vollbank. Entscheiden Banker in einem Luxemburger Büro über den Einsatz deutscher Steuergelder? Und die verschmähten Euro-Bonds dürfen nach dem Gipfel nun zumindest als kleine Projektbonds einen Testlauf durch Europa wagen. Frau Bundeskanzlerin, wie wär's zur Abwechslung mit der ganzen Wahrheit? Wenn Sie die Vereinigten Staaten von Europa wollen, dann müssen Sie die Schritte dazu auch offensiv kommunizieren. Dazu bedarf es eines Gesellschaftsvertrags. Zur Wahrheit gehört nämlich: Europas Rettung wird teuer. Und Deutschland wird zahlen. Fragen wir die Deutschen doch einfach, ob Europa ihnen das wert ist.

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Rheinische Post
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