Rheinische Post: Kommentar zu Papst Franziskus: ein moderner Konservativer
Düsseldorf (ots)
Demut hat einen neuen Namen: Franziskus. Der Papst hat mit seinen ersten Schritten in die Weltöffentlichkeit deutlich gemacht, wie er das höchste Amt der katholischen Kirche sieht. Als Diener der Christenheit. Es ist ein großes Statement, wenn der Papst von Anfang an sagt: Ich trete in einer schlichten weißen Soutane vors Volk, ohne Pelzbesatz, ohne den kostbaren Hermelin als Insignie der Macht. Franziskus zeigt sich als Pontifex der demütigen Gesten. Er begrüßt die Massen mit einem einfachen "Guten Abend". Er bittet die Gläubigen, für ihn und seine schwere Aufgabe zu beten. Er verneigt sich im Gebet vor seinem Vorgänger und will ihn bald besuchen. Solch starke Zeichen der Bescheidenheit stehen gegen die wachsende Maßlosigkeit der Welt. Gegen Banker-Boni, gegen die Gier der Finanzmärkte, gegen Unmoral und Zügellosigkeit. Der Papst nimmt sich zurück und wird dadurch glaub-würdig. Dabei hat Bescheidenheit mit der Fähigkeit zu tun, den Blick auf das Wesentliche zu lenken - auf den Menschen. Als Erzbischof von Buenos Aires hat Jorge Mario Bergoglio Gläubigen die Füße gewaschen. Als Papst nun will er ihnen im Glauben nahe bleiben. Liebe, Brüderlichkeit, Barmherzigkeit, Nächstenliebe sind die Werte, die auch in einer Internet-Gesellschaft nicht an Bedeutung verlieren. Im Gegenteil. Das hat der Papst aus Südamerika, der bereits jetzt als "Papst der Armen" gefeiert wird, zutiefst verinnerlicht. Armut ist aber nicht allein eine Frage des Geldes, sondern - zumal in den reichen Ländern der Welt - auch und besonders der Mangel an geistiger Orientierung, an Halt und innerer Stärke. Den Jesuiten - und der neue Papst ist überzeugter Jesuit! - wird nachgesagt, dass sie in besonderer Weise die Fähigkeit zum gedanklichen Diskurs pflegen. Sie sehen sich als Gefolgschaft Jesu und Wissen als ihre schärfste Waffe im Kampf gegen Gottlosigkeit an. In ihren Schulen vermitteln sie die Macht des Wortes. Wie es ihnen der Ordensgründer Ignatius von Loyola aufgegeben hat, streben die Jesuiten nicht nach Höherem. Wohl aber nach Einfluss. Papst zu werden, das nimmt man sich nicht vor, ein guter Papst zu sein aber sehr wohl. Und dieses Streben nach seelsorgerischer Vollkommenheit spürt man beim Heiligen Vater. Nach dem professoralen Papst Benedikt, der das Wesen der Predigt Jesu in den Focus seines Wirkens gestellt hat, kann Franziskus der Menschenfischer sein und damit ein wahrer Nachfolger Petri. Wer seine freundlichen Worte auf dem Balkon des Petersdoms als wenig inhaltsreich wahrnimmt, verkennt die Wirkung der Gesten und vergisst die missionarische Kraft, die der Papst in seiner argentinischen Heimat entfaltet hat. In seiner ersten Predigt als Papst hat Franziskus dazu aufgerufen, das Kreuz Jesu aufzunehmen - ohne Wenn und Aber. Als Jesuit kommt er auf den Punkt - seine vier Thesen im Vorkonklave sollen die Kardinäle überzeugt haben, ihm den Stuhl Petri anzuvertrauen. Trotz seines Alters. Mit 76 Jahren kann auch Franziskus nur ein Papst des Übergangs sein. Aber einer, der die Kirche in neue Zeiten führt. Die katholische Kirche braucht immer noch Konsolidierung, bevor sie die Stärke findet, sich Neuem zuzuwenden. Zu schwerwiegend sind die Verwerfungen, die Skandale um Missbrauch, Vertrauensbruch und Finanzgebaren aufgeworfen haben. Zu offensichtlich ist die Leitungskrise im Vatikan, die zu bewältigen Benedikt die Kraft fehlte. Die speziellen Fragen der deutschen Katholiken um Ökumene, die Rolle der Frau, die Auseinandersetzung mit dem Islam, die gewandelten Formen des Zusammenlebens sind einem Kirchenführer aus Lateinamerika eher fremd. Franziskus kann und will aber das Fundament legen, auf dem eine neue Kirche entsteht. Der mutige Rückzug seines Vorgängers Benedikt hat den Weg geebnet für einen modernen Papst. Das gibt die Zuversicht auf Wandel. Das Papsttum als älteste Institution der Welt hat Bestand, gerade weil es sich stetig verändert hat. Veränderung misst sich in einer Kirche, die auf Ewigkeit angelegt ist, allerdings nicht in Jahren, nicht einmal nach Dekaden. Dennoch will Franziskus wie sein Namensgeber Franz von Assisi ein Reformer sein. Gott gebe ihm die Kraft dazu!
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