Rheinische Post: Kommentar: Ende amerikanischer Scheinheiligkeit = Von Frank Herrmann
Düsseldorf (ots)
Wenn er wissen wolle, was Angela Merkel denke, hat Barack Obama neulich gesagt, dann greife er zum Telefon und rufe sie an. Das war im Sommer, als Edward Snowden die Sammelwut der NSA bereits belegt hatte und Mister President, ganz im Einklang mit der Kanzlerin, die Wogen der Empörung zu glätten versuchte. Es klang logisch. Wozu der ganze Geheimdienstwust, wenn es doch so viel einfacher gehe? Aber nun drängt sich Eindruck auf, als hätte der Mann nur geflunkert. Noch ist nicht einmal ansatzweise geklärt, welche Rolle Obama bei der Sache mit Merkels Handy spielte. War er selber im Bilde? Derzeit kann man nur sagen: Genaues wissen wir nicht. Was die Causa Merkel allerdings ohne Zweifel bedeutet, ist das Ende amerikanischer Scheinheiligkeit. Es klingt nur noch hohl, das Mantra von den Anschlägen, die es zu verhindern gelte, weshalb es keine Alternative gebe zu weltweiter Überwachung. Ja, offenbar sind Attentate vereitelt worden, auch wenn sich das nur schwer überprüfen lässt. Aber was die NSA sonst noch so treibt, von Industriespionage bis zum Ausschnüffeln europäischer Verhandlungspositionen, lässt sich beim besten Willen nicht unter der Rubrik Terrorbekämpfung verbuchen.
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