Rheinische Post: Kommentar
Merkels Schwätzer lösen Koalitionskrise aus
= Von Michael Bröcker
Düsseldorf (ots)
Der frühere Innenminister Hans-Peter Friedrich kann mit seinem Rücktritt nur den ersten Teil der Verantwortung in einer ernsten Staatsaffäre auf sich genommen haben. Sicher, der CSU-Mann durfte als Innenminister nicht über Ermittlungen der ihm unterstehenden Behörden sprechen. Er tat es dennoch. Dafür musste er die Verantwortung übernehmen. Friedrich ist letztlich aber auch der Geschwätzigkeit der SPD-Politiker zum Opfer gefallen. Sollte er den SPD-Vorsitzenden Gabriel über möglicherweise bevorstehende Ermittlungen informiert haben, um den potenziellen Koalitionspartner vor einem damals realistischen Karrieresprung von Herrn Edathy zu warnen, hat er menschlich nachvollziehbar gehandelt und nicht nur Schaden von der SPD, sondern auch vom Staat abgewandt. Wenn Gabriel & Co. daraufhin eine Stille-Post-Kette in Gang gesetzt haben, an deren Ende gar Edathy informiert wurde, erfüllt das juristisch möglicherweise den Tatbestand der Strafvereitelung. Die Staatsanwaltschaft spricht davon, dass sie "hoffnungslos in der Hinterhand" gewesen sei und dass Edathy von den Ermittlungen frühzeitig erfahren habe. Statt den Rechtsstaat zu schützen, hat diese sogenannte große Koalition den Rechtsstaat behindert. Das ist nicht nur peinlich. Das ist ein schwerwiegender Fall von Politikversagen. Es geht hier immerhin darum, dass ein SPD-Politiker laut Stellungnahme der Ermittler im Internet Nacktfotos von Jungen im Alter zwischen 9 und 14 Jahren angeschaut oder heruntergeladen haben soll. Selbst wenn das juristisch "nur" an der Grenze zur Kinderpornografie sein mag. Es ist widerlich. Die Sozialdemokraten, aus deren Reihen die schnellsten Rücktrittsforderungen in Richtung Friedrich kamen, werden sich nun fragen müssen, wie sie eigentlich das Rechtsverständnis von Herrn Gabriel und des umtriebigen Juristen Herrn Oppermann bewerten. Wenn die SPD-Führung einem Tatverdächtigen zur Vernichtung von Beweisen verholfen hat, ist Friedrichs Rücktritt nur der Anfang einer Reihe von notwendigen Konsequenzen. Zur Erinnerung: Es waren eifrige SPD-Landespolitiker, die in Niedersachsen einer Lokalzeitung Informationen über die Ermittlungen weitergaben. Wie gelangte die Akte im Fall Edathy überhaupt an die parteipolitische Öffentlichkeit? Warum blieb das Schreiben der Staatsanwaltschaft an den Deutschen Bundestag dort eine Woche lang liegen? Der Verdacht wiegt schwer, dass die große Koalition, wenn es für ihre Mitglieder ernst wird, auch großer Vertuscher sein kann. Ein verstörendes Signal.
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