Rheinische Post: Kommentar
Gelassen gegen den mörderischen Eifer
= Von Michael Bröcker
Düsseldorf (ots)
Es mag schwerfallen, aber die richtige Reaktion auf den schrecklichen Terroranschlag von Paris muss eine der Nüchternheit und Gelassenheit sein. Wer dem mörderischen Eifer der Islamisten, die ihre Religion als spirituelle Munition missbrauchen und so auch die Mehrheit der friedlichen Muslime in Misskredit bringen, mit Wut und Hass begegnet, wird zwangsläufig die Werte verraten, die es jetzt zu verteidigen gilt. Die ersten Übergriffe auf muslimische Einrichtungen sind genau das, was die Islamisten heraufbeschwören wollen: einen Glaubenskrieg. Den darf es nicht geben. Die Mörder von Paris, aber auch von New York, Amsterdam, Madrid, Boston oder Aleppo, sind überdies auch keine Glaubenskrieger mit einer vermeintlich göttlichen Mission. Sie sind schlicht ideologisch verblendete und kriminelle Söldner. Es liegt also an den Mitgliedern einer aufgeklärten Gesellschaft, egal ob Muslim oder Christ, diese Tatsache in den kommenden Tagen immer wieder klarzumachen. Aus dem Kampf gegen den Terror darf nicht ein Kampf der Kulturen werden. Die aktuelle Bertelsmann-Studie muss uns zu denken geben. Jeder zweite Deutsche empfindet demnach den Islam als Bedrohung. Den Islam? Den einen gibt es nicht. Der Koran ist interpretationsfähig. Ja, es gibt Intoleranz, Frauenverachtung und Hasspredigten im Namen Allahs. All das ist zu verurteilen, wann und wo immer es auftritt. Auch ist die "offene Gesellschaft", die Karl Popper propagierte, nicht gerade das Wunschmodell islamisch geprägter Staaten. Aber es gibt auch Länder wie Indonesien und Malaysia, die Demokratie wollen und sogar Frauen an ihre Spitze gewählt haben, bevor es eine Bundeskanzlerin gab. Viele Muslime beten friedlich zu Allah, akzeptieren den deutschen Rechtsstaat und wollen ohne Hass leben. Und wenn nicht deutsche Behörden in einer Art Gutmenschen-Nostalgie und vorauseilendem Gehorsam den notwendigen Respekt vor dem muslimischen Glauben mit Ignoranz gegenüber christlichen Werten verwechseln würden, etwa wenn Richter, wie 2014 geschehen, "Ehrenmorde" mit einer "kulturellen und religiösen Zwangslage" des Täters begründen, dann wäre das Miteinander vielleicht auch einfacher. Fazit: Die muslimische Konformität, die unterschwellig am Stammtisch vermutet wird, existiert nicht. Der Terroranschlag von Paris darf nicht jenes undifferenzierte, aber anwachsende Unbehagen gegenüber Fremden, das in der Geschichte schon so viele Kriege ausgelöst hat, verstärken. Das ist der Auftrag an uns alle. Religionsübergreifend.
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