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Rheinische Post: Die Folgen eines unfassbaren Todesflugs

Düsseldorf (ots)

Kommentar von Martin Kessler

Der Albtraum will nicht aufhören, sagte der Bürgermeister der vom Absturz der Germanwings-Maschine besonders getroffenen Kleinstadt Haltern. Und er hat recht. Die neuere Wendung in diesem schlimmsten Unglück der jüngeren deutschen Luftfahrtgeschichte macht uns fassungslos. Ein junger, ehrgeiziger Pilot, mit guten Zeugnissen, sportlich, ruhig, steuert mit einem Flugzeug 150 Menschen in den Tod. Noch ist völlig unklar, was diesen verhängnisvollen Entschluss bei ihm auslöste. Die Tat, die unschuldige Passagiere und Crewmitglieder ins Verderben riss, wird immer unverständlich bleiben, ist nach menschlichen Maßstäben nicht zu erklärten. Man mag sich dabei ertappen, dass man aus egoistischen Gründen fast mit einer gewissen Erleichterung registriert, dass nicht fehlerhafte Technik das Unglück auslöste, sondern der Mensch in seinem Wahn. Vor so etwas ist niemand sicher. Fehlerhafte Technik macht aber Angst. Kann ich dieser Technik mein Leben anvertrauen? Auch wenn sie als noch so sicher angesehen wird? Andererseits erschüttert die Tat dieses Menschen um so mehr. Warum reißt jemand, der offenbar sein Leben beenden will, noch 149 andere mit in den Tod? Es bleiben Ratlosigkeit und Entsetzen. Die menschliche Dimension macht den Todesflug noch schrecklicher, als wenn der Absturz aus technischen Gründen passiert wäre. Denn noch stärker erhebt sich die Frage, wem man trauen kann. Tatsache ist, dass wir nicht nur selbst für unser Leben verantwortlich sind. Viele anderen übernehmen Verantwortung - Eltern, Ärzte, Polizisten, ja im Grunde jeder Zugführer, Busfahrer oder Autofahrer, in dessen Wagen ich einsteige. Vertrauen in die Fähigkeit und Redlichkeit anderer ist eine Grundvoraussetzung für unser Leben. Es zeigt sich auch in diesem Unglück, dass der Mensch ein zutiefst soziales Wesen ist. So schlimm das Verhalten des jungen Piloten ist, im Normalfall zahlt sich das Vertrauen aus. Es ist Gott sei Dank viel, viel häufiger anzutreffen, dass wir in anderen geborgen sind, als dass sie fahrlässig oder gar kriminell mit unserem Vertrauen umgehen. Aber auch der Missbrauch des Vertrauens ist möglich. Unsere Gesetze, unsere Sicherheitsregeln, unsere Etikette schützen uns vor bösartigem Verhalten anderer. Dieser Rahmen schreckt auch mögliche Täter ab oder macht es ihnen zumindest schwerer. In der Luftfahrt waren es zunächst die Geschäftemacher, die nicht auf Sicherheit achteten, dann politische Fanatiker, die mit Flugzeugentführungen Aufmerksamkeit erregten. Das Drama um die Landshut-Entführung durch palästinensische Terroristen, die ihre deutschen Gesinnungsgenossen von der RAF freipressen wollten, ist zumindest den Älteren noch in lebhafter Erinnerung. Als Folge wurde die Luftfahrt zur Hochsicherheitszone, erst recht nach den Ereignissen am 11. September 2001, als zwei Passagierjets in die Türme des New Yorker World Trade Centers flogen. Die Regeln wurden immer raffinierter. Gerade auch die Vorschrift, dass die Cockpit-Tür nur von den Piloten von innen geöffnet werden kann. Das macht es Terroristen unmöglich, ins Cockpit einzudringen und Flugzeuge als Waffe zu gebrauchen. Offenbar fühlte sich die Gemeinschaft der Piloten so sicher, das abweichendes Verhalten in ihren Reihen für unmöglich gehalten wurde. Leider ist der Fall von Andreas L. nicht der erste in der Luftfahrt, bei dem das nicht stimmt. Ganz ähnlich verhielt sich ein Pilot einer Fluglinie aus Mosambik. Er beging ohne ein erkennbares Motiv Selbstmord und riss 33 Menschen mit sich. Manche Airlines führten danach als Vorschrift ein, dass immer zwei Menschen im Cockpit sitzen müssen. Das heißt, dass, wenn einer der Pilotencrew austreten muss, ihn zumindest ein Flugbegleiter ersetzt. Das ist eine gute Regel, die auch den unwahrscheinlichen, aber doch möglichen Fall des Germanwings-Unglücks vielleicht verhindert hätte. Man sollte darüber nachdenken, auch wenn es eine absolute Sicherheit nicht gibt.

Pressekontakt:

Rheinische Post
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Telefon: (0211) 505-2621

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