Rheinische Post: Kommentar
Das Fest der Liebe
= Von Michael Bröcker
Düsseldorf (ots)
Anis Amri ist tot. Man mag das als unchristlich empfinden, aber irgendwie empfanden Viele dies gestern als frohe Botschaft. Der Mörder von Berlin, der Islamist, der zwölf Menschen kurz vorm Weihnachtsfest aus ihren Familien riss, wurde von Polizisten erschossen. Ein fröhliches und unbeschwertes Weihnachtsfest mag sich natürlich trotzdem nicht einstellen. Das Gefühl, dass "Gefährder" ungefährdet durch Europa reisen, ihren Terror planen und umsetzen können, befremdet. Der wehrhafte Staat mutiert zum lachhaften Gebilde. So geht das Jahr, in dem Tod und Terror, Krisen und Konflikte, ohnehin viel zu präsent waren, mit dem Wissen zu Ende, dass der Terror endgültig vor der Haustür angekommen ist. Das Jahr war ein harter Test für die liberalen Demokratien. Vom Elend der Flüchtlinge über den Aufstieg der Hassbewegten bis zur mörderischen Bilanz der Dschihad-Fanatiker: Brüssel, Paris, Nizza, Würzburg, Berlin. Menschlichkeit scheint nur noch eine untergeordnete Kategorie des zivilen Miteinanders zu sein. Der feindselige Ton des "sozialen" Netzes schwappt über in die geschützten Räume der Gesellschaft: die Kneipe, die Kantine, der Küchentisch. Es wird gefaucht und gestritten. Links oder rechts. Für oder gegen Flüchtlinge. "Überfremdung" und "Merkelmussweg" gegen "Refugees still welcome". Realist oder naiver Gutmensch? Deutschlands Gesellschaft steckt im Gesinnungs-Tunnel. Kein Entkommen. Es geht nur vorwärts in der eigenen Spur. Schwarz oder Weiß. Grautöne vergeblich gesucht. Wie kommen wir da nur wieder raus? Die christliche Weihnachtsbotschaft könnte helfen. Sie besagt ja, dass man nicht aufgeben sollte, sich für eine friedvolle Welt einzusetzen. Zuwendung, Liebe, Zeit füreinander. "Wo das geschieht, wird das Wunder der Weihnacht real", sagt der Kölner Kardinal Woelki. Die Weihnachtsbotschaft ist eine der Versöhnung. Gott wurde Mensch, um die Menschen mit sich selbst zu versöhnen, heißt es in den Korinther-Briefen. Nächstenliebe als Rezept gegen das Radikale. Mehr Liebe wagen! Das klingt schon wieder verdächtig nach 68er-Gutmenschentum. Aber das ist es ja auch: gut. Versuchen wir es im Kleinen, im Konkreten. Im Alltag. Versuchen wir Misstrauen zu unterdrücken, Ängste einzuhegen. Gönnen wir nicht nur unserer Familie in diesen Tagen ein Lächeln, nette Worte. Versuchen wir es draußen: im Büro, im Taxi, im City-Gedränge oder an der Haltestelle. Gegenüber dem Nachbarn und gegenüber dem Neuling im Stadtteil. Die Angst vor Fremden lässt sich durch Nähe bekämpfen. Das erfordert Mut. Versuchen wir es.
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