Rheinische Post: Kommentar: Politischer Offenbarungseid
Düsseldorf (ots)
In einem kleinen Ort in Hessen wird das große Problem von CDU, SPD und FDP sichtbar: Weil im Ortsbeirat von Altenstadt-Waldsiedlung niemand als Ortsvorsteher kandidieren wollte und sich niemand so gut mit dem Internet auskennt wie der 33-Jährige von der als verfassungsfeindlich eingestuften NPD, wählt man eben diesen. Stefan Jagsch, NPD-Landesvize, sei kollegial und könne E-Mails verschicken, sagt CDU-Ortsbeiratsmitglied Norbert Szielasko. Und: "Partei spielt bei uns keine Rolle." Über die Sache mit den E-Mails sollte sich niemand erheben. Es ist Tatsache, dass manche Bürger von der rasenden Entwicklung abgeschnitten sind. Entweder, weil der Netzausbau bis in ihre Region noch nicht vernünftig vorgedrungen ist. Oder, weil sie den Anschluss an die technischen Errungenschaften verloren haben. Man fragt sich allerdings, wie die CDU in Altenstadt-Waldsiedlung kommuniziert. Nicht alles wird noch per Post verschickt. Auch das müssen Parteien begreifen: Sie müssen sich nicht nur um die Wähler vor Ort kümmern, sondern auch um ihre eigenen Mitglieder, mit denen in den Kommunen der Kontakt zur Gesellschaft gehalten wird. Und da kommt der andere Satz zum Tragen: "Partei spielt bei uns keine Rolle." Was Jagsch in der NPD mache, sei nicht Sache des Ortsbeirates. Das ist das eigentliche Drama. Natürlich muss es auch in Altenstadt-Waldsiedlung interessieren, wofür Jagsch und seine rechtsextreme NPD sonst noch so stehen. Die traditionsreichen demokratischen Parteien haben gepennt und schreien nun nach Korrektur. Jetzt hektisch die Abwahl von Jagsch zu organisieren, wird ihnen den nächsten Vorwurf des undemokratischen Verhaltens eintragen. Es ist erschütternd, dass CDU, SPD und FDP nicht viel früher aufgewacht sind. Ein politischer Offenbarungseid.
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