Rheinische Post: Kommentar
Pötsch ist eine Belastung für VW
= Von Florian Rinke
Düsseldorf (ots)
Für Angeklagte gilt so lange die Unschuldsvermutung, bis ihre Schuld bewiesen ist. So einfach ist das eigentlich. Aber im Fall von Volkswagen ist es eben doch etwas komplizierter. Denn ab wann werden Ermittlungen der Justiz gegen Manager für ein Unternehmen zu einem so großen Problem, dass es reagieren muss, um Schaden von sich selbst abzuwenden?
Einen genauen Zeitpunkt zu definieren, ist schwer - aber beim Volkswagen-Konzern ist die Treue allem Anschein nach besonders groß. Ex-Audi-Chef Rupert Stadler trat sogar erst zurück, als sich hinter ihm die Zellentür in der Untersuchungshaft schloss. Und auch nach Erhebung der Anklage gegen Hans Dieter Pötsch und Herbert Diess teilte VW mit, solle die "erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden und dem Vorstandsvorsitzenden fortgesetzt werden".
Diese Nibelungentreue ist speziell im Fall von Pötsch fatal. Der frühere VW-Chef hätte eigentlich nie ins Amt kommen dürfen. Ein Finanzvorstand, der möglicherweise für den größten Skandal der Firmengeschichte mitverantwortlich ist, wird nach dessen Bekanntwerden auf den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden befördert, der die Vorwürfe eigentlich aufklären müsste? Das klingt auch nach mehr als vier Jahren Abgasskandal wie ein schlechter Witz.
VW muss in einer turbulenten weltwirtschaftlichen Lage gigantische Herausforderungen bewältigen, um den Wandel zur E-Mobilität, zum autonomen Fahren und zur Plattformmobilität zu meistern. Nebenkriegsplätze kann sich der Konzern eigentlich nicht leisten - zumal sie immer wieder das Mantra vom Neuanfang desavouieren. Insofern kann man nur hoffen, dass die Staatsanwaltschaft sauber ermittelt hat, damit bald Gewissheit herrscht: Prozess ja oder nein. Spätestens dann müsste der Konzern reagieren.
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