Nawalny ist
der falsche Anführer
Kommentar Von Ulrich Krökel
Düsseldorf (ots)
Von Wladiwostok bis Kaliningrad schwappte am Wochenende eine Welle der Empörung durch Russland. Moskau war das natürliche Zentrum der Demonstrationen. Aber die Hauptstädter waren diesmal, anders als bei früheren Massenprotesten, in ihrem gerechten Zorn nicht allein. Selbst auf der annektierten Krim, die als Hort des Patriotismus gilt, gingen Menschen auf die Straße. Sie forderten die Freilassung des inhaftierten Kremlkritikers Alexej Nawalny und protestierten gegen Korruption, Willkürherrschaft und Illiberalismus. Kurz: gegen Präsident Wladimir Putin.
Noch vor einer Woche, als Nawalny in seine Heimat zurückkehrte und sofort ins Gefängnis geworfen wurde, hätte mit einer solch wuchtigen Reaktion wohl niemand gerechnet. Umso faszinierender, den Mut, die Kreativität und die Energie der fast durchweg jungen Putin-Herausforderer zu sehen. Sie vernetzten sich online, teilten die skurrilsten Protestaufrufe und warfen Schneebälle auf schwer bewaffnete Sonderpolizisten. All das zeigte: Es gibt ein anderes Russland als das Reich der Kreml-Clans, der hybriden Kriegführung, der superreichen Oligarchen und des Staatsdopings.
Und dennoch: Niemand möge sich etwas vormachen. Das System Putin verfügt über gigantische Machtressourcen. Der Opposition dagegen fehlt es an allem. Zum Beispiel an Masse: Mehrere Zehntausend Menschen sind nicht viel. Und auch wenn den Jungen die Zukunft gehört, so werden sie ohne Unterstützung der Älteren wenig erreichen. Und Nawalny ist der falsche Anführer. So mutig er ist, so schädlich sind seine Selbstverliebtheit und sein Hang zur Clownerie.
Was bleibt, ist die berechtigte Hoffnung auf einen Wandel. Denn viel spricht dafür, dass eine wachsende Zahl von Menschen in Russland auch in Putin nicht mehr lange den richtigen Anführer sehen wird.
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