Rheinische Post: Christliches freigelegt Leitartikel von Reinhold Michels
Düsseldorf (ots)
Wer wollte sich der faszinierenden Symbolkraft der Bilder von Köln entziehen. Bei der Schifffahrt eines gelöst wirkendes Papstes auf dem Rhein, die begleitet war von jungen, fröhlichen Menschen, von denen einige bis über die Knie im Strom standen, drängte sich der Gedanke auf: Wer glaubt, ist nicht auf dem falschen Dampfer. Am Montag hatte eine Zeitschrift über die "Heimkehr des Papstes in ein unchristliches Land" geschrieben. Gestern wurden christliche Wurzeln freigelegt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der deutsche Papst, der den Namen des Patrons Europas führt, einen neuen geistigen Aufbruchwillen der Jugend zwar nicht auslöst, aber sicht- und hörbar befördert. Joseph Ratzingers 14 Jahre alter Satz, wonach die Moral, die die Kirche lehre, keine Speziallast für Christen, sondern die Verteidigung des Menschen gegen den Versuch seiner Abschaffung sei, scheint zu Beginn des 21. Jahrhunderts auch im christlich verschlafenen Abendland weniger bedrohlich als vielmehr nachdenkenswert zu klingen. Im Sinne von Bundespräsident Horst Köhlers fabelhaftem Begrüßungs-Satz, Orientierung könne nur vom Orientierten kommen, trat Benedikt XVI. vor die Jugend der Welt. Er sprach nicht gelehrt, fast schlicht, seine Gestik blieb bescheiden, und er wurde verstanden. Dem Deutsch-Römer flogen die Herzen der Jugend zu. Viele Ältere dürften sich still-staunend die Augen gerieben haben, wie hier ein Kirchenmann mit fest gefügtem Weltbild und hohem moralischem Anspruch soviel Beifall auszulösen vermochte. Wenn nicht alles täuscht, wird Benedikt in den kommenden Tagen der Jugend als ein gütiger Großvater erscheinen, dessen Mahnungen ("dient Christus vorbehaltlos") wie im richtigen Enkel-Großeltern-Leben nicht jeder junge Jubler und Beter folgen kann, aber den ein jeder gerade wegen seiner Festigkeit nicht missen möchte. Der Jugend, die in Köln zu erleben ist, vertraut man die Zukunft gerne an.
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