Rheinische Post: Im Resultat vernünftig
Düsseldorf (ots)
Leitartikel von Reinhold Michels
Wohl selten zuvor in seiner alles in allem ruhmreichen Geschichte hat sich das 1951 gegründete Bundesverfassungsgericht bei seiner Neuwahl-Entscheidung der Forderung nach "judicial self restraint", nach richterlicher Selbstbeschränkung in zuallererst politischen Dingen so gebeugt. Das dem Bundeskanzler eingeräumte Einschätzungs-Ermessen, ob er sich aktuell oder künftig noch von einer parlamentarischen Mehrheit hinreichend gestützt fühlt, kommt einem Freibrief nahe. Der allerdings wurde, wie man das aus Karlsruhe gewohnt ist, mit eleganter juristischer Feder ausgestellt. Die seit dem großen Konrad Adenauer oft beschriebene Verfassungswirklichkeit "Kanzler-Demokratie" dieses Urteil macht sie erlebbar. Im praktischen Ergebnis entspricht das höchstrichterliche "Wir-machen-den-Weg-frei" den Hoffnungen aller maßgeblichen deutschen Parteien sowie und das ist entscheidender - der Mehrheit der Wahlberechtigten. Entsprang der Wille des Kanzlers zu vorgezogenen Bundestags-Neuwahlen noch Schröder'schem Trotz aus Ratlosigkeit, machte sich anschließend Bundespräsident Köhler doch schon zum Sprecher derjenigen im Volk, die seit langem das Gefühl haben: Die politische deutsche Karre ist verfahren, lasst uns ohne schuldhaftes Zögern den demokratisch einzig richtigen Befreiungsversuch unternehmen. Das Gericht war vernünftig.
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