Rheinische Post: Amerika
Düsseldorf (ots)
Von Reinhold Michels
Wüsste man nicht, dass alles stimmt, was über die USA geschrieben wird und eben auch das genaue Gegenteil davon, könnte man mit Blick auf das mitsamt der Stadt New Orleans weggeschwemmte Vertrauen in Recht, Ordnung und staatliche Vor- und Fürsorge denken: "The shining city on the hill", "Die leuchtende Stadt auf dem Berge", wie Stars-and-Stripes-Enthusiasten ihr Land nennen, ist ein ziemlich finsteres Loch: Fahrlässige Kathastrophen-Prophylaxe, nach dem Überfall des Natur-Ungeheuers "Katrina" sofortiger Riss des hauchdünnen Firnis von Zivilisation, ein pöbelnder Bürgermeister, ein verdatterter Präsident, psychisch überforderte Hilfskräfte, die teilweise selbst Hilfe benötigen oder sich gar dem allgegenwärtigen Tod durch Selbsttötung hinzugesellen, schließlich auch schon wieder dreist sprießende Blüten des stadtbekannten Amüsierbetriebes. Die Führungsmacht der Freien Welt präsentiert sich in ihrem tiefen Süden miserabel. Aber Amerika ist nicht nur groß in seinen Defiziten, es ist und bleibt großartig in seinen Möglichkeiten. Das Land des Elends und der Nobelpreise überrascht im Schlechten und im Guten. Es fällt hin, und es steht wieder auf. Das wird man bald schon in und um New Orleans beobachten können.
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