Rheinische Post: Chirac und das Teufelszeug - von REINHOLD MICHELS
Düsseldorf (ots)
Wer wie Chirac (er ist nicht der erste) die Schwelle zum Einsatz von Atomwaffen senkt, steht im Verdacht großer politischer Unklugheit. Die Drohung mit dem alles vernichtenden Gegenschlag auf das Territorium des Angreifers hat in den Nachkriegs-Jahrzehnten mit zwei Weltblöcken diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs den kalten Krieg nicht heiß werden lassen. Heute jedoch, wo viele Konflikte in der Welt die terroristischen Potentiale zusätzlich aufladen, kann die Drohung mit flexibler nuklearer Antwort gerade das auslösen, was man verhindern will: irrationales Verhalten.
Terrorismus, wie ihn Bin Laden und seine Verbrecherorganisation predigen und praktizieren, ist eine geistige Deformation, die nicht mit der A-Waffen-Drohung therapiert werden kann. Wenn al Qaida an A-B-C-Waffen käme, setzte sie diese ein: Bin Ladens Leute lieben bekanntlich den Tod. Zielte Chirac nur auf Iran mit seinen atomaren Gelüsten und dem bislang nur wortaggressiven Präsidenten, signalisierte Paris den Willen zur Selbstbehauptung im Falle eines Falles. Das wäre aber die gleiche Logik, mit der die Noch-Nicht-Atommacht Iran das Teufelszeug (Kanzler a.D. Willy Brandt) begehrt. Wenn sich die Idee durchsetzt, dass der beste Schutz vor einer Groß-Attacke eigene, dosiert einsetzbare Atombomben sind, dann hätte die Welt es bald mit vielen neuen "Irans", also einem Albtraum zu tun.
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