Rheinische Post: Kritik ist Aufklärung
Düsseldorf (ots)
Von Lothar Schröder
Ein Schauspieler rastet in einem ohnehin an Entgrenzungen nicht armen Stück aus, geht auf den Kritiker los, beschimpft und nötigt ihn, den Saal zu verlassen. Ein Skandal? Mit Sicherheit. Aber auch ein Dokument zunehmender Intoleranz und neuer Gewaltbereitschaft in der Kunst? Nicht doch. Erinnern wir uns an die kaum feineren Goethe-Worte: "Schlagt ihn Tod, den Hund, er ist ein Rezensent!" Das Besondere am, nennen wir es ruhig: "Frankfurter Fall", ist nicht die reale Gewalt, die aus der irrealen Kunst entspringt. Das eigentliche Phänomen ist der Übergriff als Ritus, der stets dann aktiv wird, wenn ästhetische Vermittlung ganz gleich ob im Theater, in der Literatur oder der Musik einen Grad an Intimität erreicht, dass jede Kritik am Werk als persönlicher Angriff auf den Künstler begriffen werden muss. Dann werden Romane wie "Tod eines Kritikers" geschrieben, werden Gewalt oder Gewaltphantasien zum letzten Ausweg. Aber: Kultur hat Kritik nötig. Denn es ist selten nur das Lob, das zur Veränderung beiträgt. Gute Kritik ist Aufklärung. Es gab auch andere Auffassungen, wonach "der Kunstbericht weniger Wertung als vielmehr Darstellung und damit Würdigung sein soll". Das war 1933 und die Meinung von Joseph Goebbels.
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