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Rheinische Post: Die wollen nur spielen

Düsseldorf (ots)

Von Sven Gösmann
Endlich rollt der Ball. Wenn um 18 Uhr das Eröffnungsspiel dieser 
Fußball-Weltmeisterschaft zwischen Deutschland und Costa Rica 
angepfiffen wird, geht es endlich um die Hauptsache: Elf gegen elf, 
das Runde muss ins Eckige. Endlich ist auch die Zeit der Propheten 
vorbei. Was haben wir nicht alles hören müssen: Horden von Hooligans 
und Zwangsprostituierten und ein iranischer Staatspräsident würden 
pünktlich zum Beginn des Spektakels über uns hinwegrollen, dazu Regen
ohne Unterlass. Was soll man sagen? Die Sonne scheint, die Fans 
feiern noch immer friedlich und gesittet, selbst der Mann aus Teheran
will zu Hause bleiben.
Natürlich: Eine Fußball-WM ist nicht nur ein sportliches Ereignis. 
Leistungssport, der Profi-Fußball zuvorderst, ist längst ein 
Milliarden-Geschäft. In den Arenen der Neuzeit treten Multimillionäre
gegeneinander an. Gewiss wird sich irgendwo und irgendwann auch die 
hässliche Fratze der Gewalt erheben, hoffentlich rechtzeitig gestoppt
von den gut vorbereiteten deutschen Sicherheitsbehörden.
Der Profi-Fußball ist zudem längst zweckentfremdet worden: überhöht 
zur Philosophie, aufgeladen als politischer Symbolkampf. Nur ein 
Beleg war noch vor dem ersten Kick der Lukas Podolski, Miroslav Klose
und Gerald Asamoah die erneute Debatte um Integration und 
Nationalstolz. Die arg simpel geführte Diskussion zeigt nicht mehr, 
als dass es noch ein weiter Weg ist zu einem selbstbewussten, 
beileibe nicht geschichtsvergessenen Umgang mit Deutschland, diesem 
schwierigen Vaterland.
Dafür spricht auch die verkrampfte Art und Weise, in der allerlei 
Berufene von uns Deutschen Wohlverhalten einfordern. Mit dem 
bekannten Hang zur Selbstgeißelung werden wir zum Lächeln ermahnt. 
"Gute Gastgeber" sollen wir sein, als ob wir das meistens nicht schon
sind, und die hässlichen Ausnahmen nur die Regel bestätigen. Im 
übrigen: Wer die Arroganz römischer Kellner oder die Ruppigkeit 
spanischer Busfahrer erleben durfte, weiß, dass höfliches Benehmen 
keine Frage der Nationalität, sondern der Erziehung ist.
Den meisten, die von heute an ins Stadion eilen oder vor dem 
Fernseher sitzen, geht es aber um den Fußball. Wir sollten deshalb 
nicht die 23 jungen Männer aus Jürgen Klinsmanns Aufgebot mit 
Heilserwartungen überfrachten. Schön, wenn sie im Turnier weit 
kommen, noch schöner, wenn sie zum vierten Mal Weltmeister würden. 
"Bitte nachmachen", titeln wir heute hoffnungsfroh. Jedoch: Selbst 
dann, wenn Michael Ballack am Abend des 9. Juli den Weltcup in die 
Höhe recken sollte, hat noch kein Mensch in Deutschland zusätzlich 
Arbeit gefunden, geschweige denn ginge der ersehnte Ruck durchs Land.
Das müssen wir schon selber leisten. Der Fußball ist wunderbar. Aber 
er ist, erinnern wir uns beizeiten, nur ein Spiel.

Rückfragen bitte an:

Rheinische Post
Redaktion

Telefon: (0211) 505-2303

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