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Rheinische Post: NRW kämpft um sein Erbe

Düsseldorf (ots)

Von Sven Gösmann
Einen treffenderen Titel hätte die britische Besatzungsmacht nicht
für ihr Vorhaben finden können: "Operation Marriage" (Operation 
Hochzeit) benannte die Militärregierung den Plan für den 
Zusammenschluss der früheren preußischen Provinzen Nordrhein und 
Westfalen. Am 23. August 1946, heute vor 60 Jahren, kam es zur 
Eheschließung. Und wie sieht die Bilanz nach 60 Jahren Ehe aus?
Erfahrene Eheleute raten jungen Paaren immer, eigene Erwartungen 
zurückzuschrauben, sich auf den Partner einzulassen, die Probleme 
gemeinsam lösen. Ganz wichtig: Viel miteinander reden, damit nicht 
aus Sprach- erst Rat- und dann Verständnislosigkeit wird. Und so 
haben die beiden ungleichen Partner die vergangenen sechs Jahrzehnte 
so gut gemeinsam gemeistert, dass ihnen heute mit einer Fernsehgala 
auf dem Düsseldorfer Burgplatz und am Wochenende auf dem 
Jubiläumsfest an der Rheinpromenade der Landeshauptstadt Millionen 
zufriedene Landeskinder gratulieren werden.
Es waren schwierige Jahre des Aufbaus für die Männer der ersten 
Stunde, wie den ersten frei gewählten Ministerpräsidenten Karl 
Arnold, aber auch seine Nachfolger über Rau bis Rüttgers. Denn 
Nordrhein-Westfalen stand nie still, sondern ständig vor neuen 
Herausforderungen. "Äußerste Anstrengungen zur Versorgung 
Deutschlands", hieß die erste Schlagzeile unserer Zeitung, die diesem
Land ein treuer, kritischer Begleiter war und ist.
Und wenn wir auch auf hohem Niveau klagen, so hätte man doch auch 
heute titeln können: "Äußerste Anstrengungen zur Bewältigung des 
Strukturwandels". Denn NRW ist Deutschland unter dem Brennglas  mit 
all seinen Verwandlungen, Irrungen, Wirrungen. Die Montanindustrie 
ist nahezu verschwunden, Stahl und Bergbau sind nicht länger die 
Taktgeber der Wirtschaft. Besonders das Ruhrgebiet spürt aber nach 
wie vor, dass überzeugende Antworten darauf fehlen, wenn 
Blaumann-Jobs verdampfen, ohne dass viele neue Büro-Arbeitsplätze 
entstehen.
Auch aus der Not, die diese Erkenntnis provoziert, hat sich NRW 
politisch gewandelt. Wie sein politisches Vorbild Arnold möchte sich 
Ministerpräsident Jürgen Rüttgers als "soziales Gewissen" des ganzen 
Landes verstanden wissen. In diesem Bemühen beherrschte er die 
nachrichtenarme Sommerzeit mit seinen Profilierungsversuchen. Aber 
alle Aussagen über Lebenslügen seiner CDU täuschen nicht darüber 
hinweg, dass auch er noch keinen Hebel gefunden hat, das Erbe des 
diamantenen Jubelpaares Nordrhein und Westfalen zu bewahren: den 
sozialen Ausgleich zu erhalten, industrielle Arbeitsplätze im Lande 
zu sichern und neue innovative Beschäftigungsfelder zu erschließen. 
Die Landespolitik wirkt eingezwängt zwischen Haushaltsnot und mattem 
Mut. Gerade an einem Tag wie die dem heutigen wünscht man ihr also 
etwas vom Aufbruchsgeist der Gründerväter zurück.

Rückfragen bitte an:

Rheinische Post
Redaktion

Telefon: (0211) 505-2303

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