Rheinische Post: Bundeswehr - besser als ihr Ruf
Düsseldorf (ots)
Von Sven Gösmann
Nachkriegsdeutschland hat es sich nie leicht gemacht mit seiner Armee. Nach den Erfahrungen der Nazi-Jahre herrschte in weiten Teilen der Bevölkerung tiefes Misstrauen gegenüber allem Militärischen. Nur mit dem Leitbild des "Bürgers in Uniform", einer so weit wie möglich zivilisierten Armee, war die Remilitarisierung der Bundesrepublik denkbar. Die Erfahrung von 60 Jahren Frieden ließ die Einsicht in Sinn und Zweck einer Armee schrumpfen gerade in jenen bürgerlichen Teilen der Bevölkerung, die unsere Gesellschaft tragen und führen sollen: Nur 19 Prozent eines männlichen Abitur-Jahrgangs halten es für sinnvoll, Wehrdienst zu leisten. Bei den perspektivloseren Bevölkerungsteilen, um das hässliche Wort Unterschicht zu vermeiden, sind es noch 40 Prozent, die sich zumindest einen persönlichen Vorteil versprechen. Dass von den Wehrbereiten eines Jahrgangs nur noch Einzelne gezogen werden, überführt den Satz von der Bundeswehr als Spiegelbild der Gesellschaft zudem als hohle Phrase. Weil das mäßigende Element bürgerlicher Erziehung Teilen der Armee fehlt, wird es gerade in einem Umfeld wie Afghanistan vermisst. Nun darf man die makabren Schädelfotos nicht als Dummejungenstreiche verharmlosen, sie sind aber auch kein Fanal der Entmenschlichung wie Abu Ghraib. In der Stresssituation eines Kriegsgebiets nichts anderes ist Afghanistan wird die Schicht der Zivilisation noch dünner. Es bedarf keiner neuen Ausbildungsregeln, diese sind eindeutig, sondern eines härteren Durchgreifens der militärischen Führung bei Fehlverhalten. Das gilt am Hindukusch, das gilt auch für manche Entgleisung von Bundeswehrangehörigen in der Heimat. Zugreisende an einem Freitag- oder Sonntagabend in einem Regionalzug, der auch von alkoholisierten Wehrpflichtigen bevölkert wird, können genügend Belege liefern. Darüber hinaus ist Sensibilität im Umgang mit der Bundeswehr gefordert. Wer sie über Jahre aus einem falschen Sicherheitsgefühl kaputtspart und ihr jetzt den Geist des "Kadavergehorsams" unterstellt, wie Grünen-Chefin Roth, fördert das Abdrängen der Armee an den Rand der Gesellschaft. Die Totenkopfposen spätpubertierender Uniformträger in einen Zusammenhang mit dem Libanon-Einsatz der Bundesmarine zu bringen, ist unredlich, vor allem unpolitisch. Der Einwurf des damaligen Verteidigungsministers Struck, Deutschland werde auch am Hindukusch verteidigt, ist viel belächelt worden. In der Tat aber ist die Bundeswehr eines der wenig verbliebenen Instrumente zum Schutz der freiheitlichen Gesellschaften. Ihr Einsatz, auch vor der Küste des Libanon, muss wohlüberlegt erfolgen. Ihn aber beim ersten Aufkommen von Problemen in Zweifel zu ziehen, ist der falsche Weg. Das gilt übrigens trotz der schlimmen Bilder aus Afghanistan auch für eilig-bibbernde Unterwerfungsgesten gegenüber islamistischen Eiferern aller Art.
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