Rheinische Post: Marsch ins Abseits
Düsseldorf (ots)
Von Helmut Michelis
Von immer neuen Skandalmeldungen wird die Bundeswehr erschüttert. Jetzt berichtet ein Unteroffizier von der Scheinhinrichtung eines kleinen Jungen. Ob diese Behauptung stimmt, war gestern nicht sicher. Das Schlimme ist: Spätestens nach den Totenkopf-Fotos hält man es für möglich. Und fragt sich: Was folgt wohl noch? Da hilft die Feststellung nicht, dass fast 30.000 deutsche Soldaten in Afghanistan Dienst geleistet haben, aber nur rund 30 übel aufgefallen sind. Die mutmaßliche Scheinhinrichtung ist kriminell und besonders widerwärtig. Aufgefallen sind stets junge Soldaten. Doch ihre direkten Vorgesetzten vor Ort griffen nicht ein trauriger Beweis für den Niedergang des Unteroffizierkorps. Die Offiziere scheinen kaum noch zwischenmenschlichen Kontakt zu ihren Soldaten zu haben. Die neue Form der Ausbildung, jüngst stolz präsentiert, stützt diese Befürchtung: Offizieranwärter kommen nun direkt in eigene Bataillone und studieren dann an den Bundeswehr-Unis. Wie sich ein Obergefreiter fühlt, was er denkt, das bekommen sie nicht mehr mit. Die Flut übler Nachrichten aus Afghanistan hat nur ein Gutes: Sie setzt die Bundeswehr unter Druck, den Marsch ins Abseits zu stoppen und zu bewährten Abläufen zurückzufinden.
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