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Rheinische Post: Die hysterische Republik

Düsseldorf (ots)

Von Sven Gösmann
Es ist das Missverständnis deutscher Politik, dass sie allen 
Bekenntnissen zum Trotz immer noch glaubt, alles regeln zu müssen. 
Zudem sie überzeugt ist, sogar alles regeln zu können. All die 
Regierungserklärungen, Sonntagsreden und Parteiprogramme, die vom 
"mehr Freiheit wagen" handeln, werden reflexhaft von führenden 
Mitgliedern der politischen Klasse ad absurdum geführt, sobald ein 
gesellschaftlicher Missstand entdeckt wird.
Die jüngsten Beispiele: In Berlin trinkt sich ein 16-Jähriger fast zu
Tode - sofort flammt eine weltfremde Diskussion über Alkoholverbote 
für Jugendliche auf. Die staunende Öffentlichkeit lernt den Begriff 
des "Flatrate"-Saufens kennen, vor allem aber eine hilflose Debatte 
über die Verwahrlosung eines immer noch überschaubaren, wenn auch zu 
großen Teils unserer Jugend. Mit neuen Gesetzen und dem Ruf nach 
einem "Bußgeld für schlechte Eltern" ist aber noch kein vernebelter 
junger Kopf gerettet. Entlarvend ist, dass in der Diskussion viele 
Praktiker des Jugendschutzes - die Millionen erfolgreich erziehender 
Eltern - kaum zu Wort kommen, die Praktiker der Talkshowgesellschaft 
aus Parlamenten und allerlei "Forschungsinstituten" umso mehr.
Noch hysterischer wird die Diskussion um den Klimaschutz geführt. Dem
grünen Gebot, Deutsche sollten umweltfreundliche japanische Autos 
einheimischen Produkten vorziehen, folgt der Ruf nach dem Verbot der 
Glühbirne. Das ist das Signal zu einem Überbietungswettbewerb, der 
die Vorschläge Tempolimit (dabei gibt es das auf weiten Teilen der 
deutschen Autobahnen), Dienstwagen-Strafsteuer oder CO2-Abgabe 
präsentiert. Umweltminister Gabriel bereichert die Debatte um die 
Warnung, "nicht jeden Tag eine andere Sau durchs Dorf zu treiben". Da
ermahnt ein Metzger die anderen Metzger.
Natürlich: Gebote, auch Verbote gehören zu einem funktionierenden 
Zusammenleben. Alle entwickelten Gesellschaften haben sich Regeln 
gegeben. Das Problem: Die deutsche Gründlichkeit mag in Alltag und 
Wirtschaft nicht mehr häufig anzutreffen sein  beim Angst haben und 
Angst machen ist sie noch Spitze. Dieser Gründlichkeit liegt ein 
tiefsitzendes Misstrauen gegenüber dem Individuum, aber übrigens auch
der Marktwirtschaft zugrunde. Wer die Einzel- oder Zeiterscheinung 
zur Regel erhebt und ihr mit einer Regel begegnen will, der reguliert
auch die Freiheit zur innovativen Lösung, zur weiterbringenden 
Abweichung. Der Beleg für diese These? Schon ein Blick ins Baurecht 
genügt.
Dieselben Staatenlenker, die vollmundig den Abbau der Bürokratie als 
Ziel ausgeben, kennen nur eine Antwort, wenn es ein Problem zu 
beseitigen gilt: den Aufbau neuer Bürokratie. Immer dabei: ein 
hektischer Grundton, ein aus dem schlechten Gewissen der 
Vergangenheit gespeister Ansatz besserwisserischen 
Weltretterstreberei. Höchste Zeit also für ein Verbot der Verbote. 
Das wäre mal ein Vorschlag.

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
Rheinische Post
Redaktion

Telefon: (0211) 505-2303

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